Der liberale, mexikanische Präsidentschaftskandidat zu Gast in Washington, DC

Ein mexikanischer Präsidentschaftskandidat zu Gast beim Transatlantischen Dialogprogramm der Friedrich-Naumann-Stiftung in Washington, DC? Das bedurfte der Erklärung: Claus Gramckow, Repräsentant der Stiftung, erläuterte zunächst das breit gefächerte, internationale Engagement der Friedrich-Naumann Stiftung für die Freiheit. Im Rahmen der Reihe Global Issues, sollen auch die amerikanischen Freunde der Stiftung mit der Auslandsarbeit der verschiedenen Regionalbüros bekannt gemacht werden. So konzentriert sich die Arbeit des Auslandsbüros in Mexiko-Stadt auf ein starkes, regionales Netzwerk und die Zusammenarbeit mit liberalen Parteien, wie etwa der Partido Nueva Alianza in Mexiko, die kürzlich Gabriel Quadri de la Torre zum Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen am 1. Juli erklärt hat.

In jüngster Zeit beherrschte vor allem der Drogenkrieg die Berichterstattung aus Mexiko. Um mit populären Vorurteilen aufzuräumen und seinem Publikum einen tieferen Einblick in sein Heimatland zu gewähren, stellte Quadri de la Torre die aktuelle Situation Mexikos zu Zeiten des Wahlkampfes und die politischen Positionen seiner Partei dar.

Mexiko hat 112 Millionen Einwohner und belegt, gemessen an der Wirtschaftskraft, den 13. Platz weltweit und Rang zwei in Lateinamerika. Quadri de la Torre beklagte, dass die Stimme Mexikos in der jüngeren Vergangenheit international an Gewicht verloren habe. Er ist der Meinung, dass Mexiko auch in die Kategorie der BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) einzuordnen sei. Mexiko sei „ein Land der Mittelklasse“. Das Armutsbild, das viele Leute mit dem Land und seiner Bevölkerung in Verbindung brächten, entspreche nur teilweise der Wirklichkeit, so Quadri.  Die Nueva Alianza ist eine kleine Partei mit einer starken regionalen Verankerung. Sie stellt acht Abgeordnete der nationalen Deputiertenkammer, einen Senator und ist mit 50 Abgeordneten in den Parlamenten der mexikanischen Bundesstaaten vertreten. Die Partei ist vornehmlich aus der Lehrerschaft entstanden, welche historisch eine große Rolle bei der Herausbildung eines gemeinsamen Staatsbewusstseins gespielt habe.

Das Programm der Nueva Alianza konzentriere sich auf folgende Schwerpunkte: offene Märkte, Wettbewerbsfähigkeit, Stärkung des Rechtsstaats, Erziehung und Ausbildung und nachhaltige Entwicklung. Generell gehe es der Partei um die Überwindung „bestimmter Dogmen“ in der mexikanischen Politik; die Partei setze sich zum Ziel strukturelle Reformen in Gang zu bringen. Mexiko konnte in der jüngsten Vergangenheit (abgesehen von dem Einbruch infolge der Finanzkrise) überdurchschnittliche Wachstumsraten erzielen und habe ein großes Wachstumspotenzial. Die Steuerbasis für die Finanzierung des Staatshaushalts sei allerdings unzulänglich, weil die Mehrwertsteuer zu viele Ausnahmen aufweise. Kom-pensiert werde dies zurzeit durch die Einnahmen aus dem Ölsektor.

Quadri de la Torre fordere deshalb eine allgemeine Mehrwertsteuer und eine Reduktion der vielfachen Ausnahmetatbestände. Die staatliche, monopolistische Erdölgesellschaft Pemex solle teilprivatisiert und in der Organi-ation dem Vorbild der brasilianischen Ölgesellschaft Petrobras folgen. Auch andere Bereiche der Wirtschaft – wie z. B. die Stromwirtschaft – werden von teilweise staatlichen Monopolen oder Oligopolen dominiert. Auch sie müssten privaten Investoren zugänglich gemacht werden, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und langfristig zu sichern.

Ein besonderes Anliegen ist dem Umweltexperten Quadri de la Torre der Schutz der Umwelt und eine nachhaltige Entwicklung. Reformbedürftig sei z. B. das bisherige System der Agrarsubventionen: Sie trügen zur Zerstörung der Biodiversität bei; stattdessen müsse deren Erhalt unterstützt werden. Auch erneuerbare Energien sollten gefördert werden. Notwendig sei außerdem eine aktive Fischereipolitik, die derzeit nicht existiere.                            Beim Kampf gegen die organisierte Kriminalität sah Quadri de la Torre Fortschritte; das sei vor allem dem Einsatz des Militärs und dem Aufbau einer Bundespolizei zu verdanken. Gebiete, die teilweise von Drogenkartellen beherrscht wurden, seien wieder unter der Kontrolle des Staates. Ein grundlegendes Problem läge allerdings in der lokalen Organisation der Polizei, die von Kriminellen infiltriert und korrumpiert werde. Eine gut ausgebildete und bezahlte Bundespolizei solle die lokalen Einheiten ersetzen. Darüber hinaus müsse über eine Legalisierung von Drogen diskutiert werden. Hier verwies er auf die Prohibition von Alkohol in der Geschichte der USA, die zu einer Kapitalisierung des organisierten Verbrechens führte.

 Abschließend unterstrich Quadri de la Torre erneut die übergreifenden Ziele seiner Partei: die Wettbewerbsfähigkeit Mexikos zu stärken und sein Land wieder zu einer international führenden Stimme für Freiheit und Demokratie zu machen. Das größte Anliegen der Nueva Alianza sei es, in Mexiko ein neues, offeneres Denken zu fördern. Bei den Gästen der Stiftung ist ihm das jedenfalls gelungen: Er konnte mit den allbekannten Klischees über sein Land aufräumen. (FNS 20. 3. 2012)