Südafrika heute – Entwicklung, Politik und Wirtschaft

Das Centre for Development and Enterprise (CDE) wird als der führende südafrikanische, unabhängige politische Think Tank im Bereich der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in Südafrika betrachtet. Ann Bernstein, Leiterin des CDE stellte ihre Reformvorschläge für Südafrika einem breiten Washingtoner Publikum vor.

Auf Einladung des Transatlantischen Dialogprojekts präsentierte Ann Bernstein sowohl die heutige wirtschaftliche, soziale und politische Situation Südafrikas als auch die Herausforderungen, denen das Land derzeitig gegenübersteht. Gleich zu Beginn ihrer Rede bedauerte Bernstein, dass in der internationalen Diskussion über Südafrika häufig ein negatives Bild des Landes gezeichnet werde. Es sei bedauerlich, dass einzelne negative Aspekte betont würden, statt das ganze Bild zu geben.

Bernstein gab einen Überblick über die positiven Entwicklungen, die in Südafrika in den letzten Jahren stattgefunden haben. So gehe es dem Land momentan, im Vergleich zu manch anderen Ländern in der Region, wirtschaftlich sehr gut. Bernstein verwies u.a. auf den südafrikanischen Finanzsektor, welcher zu den fortschrittlichsten weltweit gehöre. Einer der Gründe dafür sei ein gut funktionierendes Finanzministerium. Auch in anderen Bereichen war Südafrika in der jüngsten Vergangenheit erfolgreich: So begeisterte Südafrika die Welt als Gastgeber der Fußball-Weltmeisterschaft im Jahr 2010; die Kriminalität habe seit Ende der 90er Jahre um 60% abgenommen, und auch das Justizwesen habe sich deutlich verbessert. All diese Entwicklungen, so Bernstein, gäben dem Land Hoffnung für die Zukunft.

Sie ging in ihrem Referat aber auch auf Fragen und Probleme ein, denen sich Südafrika gegenwärtig zu stellen hat:
Als erstes verwies Bernstein auf die Notwendigkeit, mehr neue Arbeitsplätze zu schaffen. Momentan liege die Arbeitslosigkeit gerade unter jungen Menschen in Südafrika bei 50%, besonders gravierend sei das Problem bei Frauen. Einen Lösungsansatz für dieses Problem sieht Bernstein in der Erhöhung des Wirtschaftswachstums. Um für die Unternehmen Anreize zu setzen, neue Arbeitsplätze zu schaffen, sei es notwendig die Arbeitsgesetze diesen Anforderungen anzupassen. Dies bedeute im Wesentlichen, dass die Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt erhöht werden müsse, etwa durch die Lockerung der Vorgaben zum Kündigungsschutz. Problematisch sei in diesem Zusammenhang auch die starke Position der Gewerkschaften. Hinzu komme, dass nur ein kleiner Anteil an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einen „formalen“ Job, einschließlich Sozialleistungen habe. Um dies zu ändern, müssten Anreize für Unternehmen gegeben werden, mehr derartige Jobs, insbesondere für schlecht qualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, zu schaffen. Dies würde dazu beitragen, in Südafrika eine gesunde „Mittelstandsgesellschaft“ zu etablieren.

Ein weiterer wichtiger und reformbedürftiger Bereich sei das südafrikanische Schulsystem. Die Reform des Schulmanagements bezeichnete Bernstein als eine der größten derzeitigen Herausforderungen in Südafrika. Derzeit seien 80% der Schulen dysfunktional. Das Problem liege dabei nicht in erster Linie im Zugang zu Schulen und anderen Bildungseinrichtungen, sondern in der Qualität der Lehre. Auch hier verwies die Rednerin auf die starke Position der Lehrergewerkschaften, die Reformen blockierten.

Als dritten entscheidenden Aspekt für die weitere Entwicklung Südafrikas nannte Bernstein die Dynamik der Urbanisierung. Sie forderte Landreformen, die vor allem den ländlichen Regionen des Landes zugutekommen und dazu beitragen die agrarwirtschaftlichen Resultate Südafrikas zu verbessern.
Die Entwicklung des privaten Wirtschaftssektors nannte Bernstein als letzten essenziellen Punkt zur Weiterentwicklung des Landes. Sie sei starke Befürworterin von mehr ausländischen Investitionen in Südafrika. Dazu sei ein Umdenken bei vielen auswärtigen Firmen notwendig. Ihnen müsse gezeigt werden, dass sie gleichzeitig Gewinne erzielen und dem Land mit mehr Investionen helfen können.

Es ist ein besonderes Anliegen des Transatlantischen Dialogprojekts, die politische Vernetzung der mehr als 40 Projektbüros weltweit, sowie der Partner vor Ort, voranzutreiben. Vor diesem Hintergrund konnte Claus Gramckow, Repräsentant des Transatlantischen Dialogprogramms der Stiftung, Ann Bernstein in Washington DC begrüßen.