Myanmar ist ein Land im Umbruch. Einen anschaulichen Eindruck der tief greifenden Veränderungen vermittelte Moritz Kleine-Brockhoff, Leiter des Asienreferats der Friedrich-Naumann-Stiftung den Gästen der Stiftung bei einem Vortrag in Washington, DC.
Myanmar sei vier Jahrzehnte lang von Militärs regiert worden. Noch im September 2007 sei die sogenannte Safran-Revolution – eine von vor allem buddhistischen Mönchen geführte Protestbewegung – niedergeschlagen worden. Eine Verfassungsreform im Mai 2008 habe eine „disziplinierte Demokratie“ versprochen. Im November 2011 fanden Wahlen statt, deren Ergebnisse manipuliert worden seien. Das Parlament, in dem immer noch ein Viertel der Sitze für Militärvertreter reserviert sei, habe sich im letzten Jahr jedoch „zunehmend emanzipiert“ und „zu einer Kraft für Veränderung“ entwickelt, so Kleine-Brockhoff.Im Februar 2011 habe das Parlament Thein Shein, den vorherigen Premierminister, zum neuen Staatspräsidenten gewählt. Seitdem sei eine Vielzahl von Reformen in Gang gekommen: ein großer Teil der politischen Häftlinge sei freigelassen worden und auch das Internet sei frei – „freier als in anderen südostasiatischen Ländern“ wie Kleine-Brockhoff betonte. Für die Medien im Land gäbe es keine Tabuthemen mehr; die Gründung von Gewerkschaften sei möglich; Arbeitern seien Streik- und Demonstrationsrecht gewährt worden; ein chinesisches Dammbauprojekt sei nach Protesten der betroffenen Bevölkerung gestoppt worden.
Die Opposition in Myanmar werde angeführt von der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, der Vorsitzenden der Nationalen Liga für Demokratie (NDL). Sie ist die Tochter des Unabhängigkeitskämpfers Aung San, dessen Verehrung ein verbindendes Element aller Burmesen, auch der Vertreter des Militärregimes, sei, wovon Aung San Suu Kyi derzeitig politisch profitieren könne. Im vergangenen November sei die Oppositionsführerin aus dem langjährigen Hausarrest entlassen worden. Inzwischen sei auch die Zeit ihrer Totalopposition zu Ende: Nach einem Treffen mit Präsident Thein Shein habe Aung San Suu Kyi den Eindruck geäußert, dass es der Präsident mit seinem Reformkurs ernst meine. Die Oppositionsführerin habe bei Nachwahlen Anfang April 2012 für einen Parlamentssitz kandidiert und ihre Partei habe 43 der 45 zur Wahl stehenden Sitze gewonnen.
Trotz aller positiven Entwicklungen bleibe die Situation in Myanmar nach Einschätzung von Kleine-Brockhoff fragil: Innerhalb der Regierung treibe eine handvoll Reformer die Demokratisierung voran. Dem gegenüber stünden etwa gleich stark Vertreter eines harten politischen Kurses, die mit den derzeitigen Entwicklungen nicht einverstanden seien. Auch Aung San Suu Kyi stehe jetzt vor der Aufgabe, in ihre neue Rolle hineinzuwachsen.
In Anbetracht der derzeitigen Reformen in Myanmar habe die EU Ende April die bestehenden Sanktionen gegen das Land zunächst teilweise suspendiert. Australien habe sie bereits aufgehoben. In den USA stehe die Frage auf der politischen Tagesordnung.
Die Reformen in Myanmar wirkten sich auch auf die Arbeit der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit aus. Die Stiftung und ihre Partner könnten mittlerweile offen in dem Land arbeiten und die Eröffnung eines Büros in Myanmar werde derzeit vorbereitet. Kleine-Brockhoff betonte: „Den Menschenrechten und der Freiheit ist am besten gedient, wenn man die Reformkräfte stärkt; dazu gehört auch der Abbau der Sanktionen.“ (FNF 14. 6. 2012)