Die EU und die USA verbinden nicht nur eine gemeinsame Geschichte und gemeinsame Werte, auch wirtschaftlich sind sie eng miteinander verknüpft. Mit nur knapp 12% der Weltbevölkerung erwirtschaften sie mehr als 40% des globalen BIPs. Neben regem bilateralem Handel tragen vor allem wechselseitige Direktinvestitionen zur Verflechtung der Volkswirtschaften bei. Dreiviertel aller Direktinvestitionen, die in die USA fließen, stammen aus der EU. Die USA haben 2012 China als größten ausländischen Investor in Europa abgelöst.
Auf der Veranstaltung zum Thema ‚The Future of Transatlantic Trade and Investment: Opportunities and Challenges‘ in Washington, DC plädierte der deutsche Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler dafür, eine derart starke Partnerschaft nicht nur zu pflegen, sondern auch nachhaltig zu stärken. Auf der gemeinsamen Veranstaltung des Brookings Institutes und des Transatlantischen Dialogprogramms der Stiftung sprach er sich deshalb für eine transatlantische Freihandelszone aus: Die bestehenden Beziehungen zwischen den USA und der EU bilden „eine hervorragende Basis für ein gemeinsames Handels- und Investitionsabkommen“.
Auf dem Weg zu einem erfolgreichen Abkommen gelte es, Herausforderungen zu bewältigen und Zielsetzungen zu erfüllen. Drei wesentliche Punkte betonte Rösler: Zunächst müsse die zunehmende Verflechtung der unterschiedlichen Märkte bedacht werden. Gerade im Hochtechnologiebereich entstehe die Wertschöpfung eines Produktes nicht im Staat der Endfertigung selbst, sondern über viele Staaten hinweg. Um die Wertschöpfungskette zu optimieren und die Märkte noch stärker zu integrieren, sei es essenziell, Zollschranken abzubauen. „Jede Zollschranke“, so Rösler, „führt am Ende zu einer Besteuerung des Warenverkehrs zwischen den USA und Europa, was wiederum zu einer Verteuerung und Verschlechterung unserer Ausgangslage und Wettbewerbssituation führt.“
Vor allem aber betonte der Bundeswirtschaftsminister den Abbau von nicht- tarifären Handelsschranken. Die gegenseitige Anerkennung und Festlegung gemeinsamer Standards und Regulierungen sei daher von großer Bedeutung. Denn derjenige, der die Standards setze, bestimme am Ende auch die künftigen Märkte mit. Außerdem müssten die EU und die USA klar definieren, wie sie sich gemeinsam in der Welt, in einem globalen Markt positionieren wollen. Schwellenländer würden stärker und selbstbewusster und wüchsen zu Partnern auf gleicher Augenhöhe mit gleichen Chancen und Herausforderungen heran.
Ein bilaterales Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA würde auf beiden Seiten des Atlantiks das Wirtschaftswachstum ankurbeln, die Wettbewerbsfähigkeit steigern, den Arbeitsmarkt beleben und das transatlantische Bündnis nachhaltig auf wirtschaftlicher und politischer Ebene stärken. Rösler erhofft sich von einem erfolgreichen Abkommen zudem neue Impulse für multilaterale Abkommen, wie zum Beispiel der Doha-Runde.
Am Beispiel des gescheiterten Anti-Counterfeiting Trade Agreements (ACTA) verdeutlichte Rösler, dass man aus der Vergangenheit lernen müsse. Das multilaterale Handelsabkommen ACTA wurde nach umfangreichen Protesten abgelehnt, weil es für den Bürger nicht nachvollziehbar verhandelt wurde. Um den Menschen ihre berechtigten Sorgen als Verbraucher vor allem im Bezug auf Umweltschutz und Qualitätsstandards zu nehmen, müsse man daher bei den Verhandlungen zu einem transatlantischen Freihandelsabkommen von Beginn an mit der notwendigen Transparenz verhandeln. Man müsse das Vertrauen der Menschen gewinnen, indem man ihnen verdeutliche, dass hinter dem Abkommen keine protektionistischen Ideen, sondern das Ziel stehe, Qualitätsstandards zu steigern. Eine transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft beschränke sich bei Weitem nicht nur auf die Steigerung des Handelsvolumens und der Direktinvestitionen, sondern strebe eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit insgesamt an.
Während das Europäische Parlament forderte, den Kultur- und Mediensektor von vornherein von den Verhandlungen auszuschließen, unterstrich Rösler ausdrücklich, dass das Abkommen umfassend sein müsse. Kein Bereich, kein Thema, kein Problem dürfe ausgenommen werden. Die Verhandlungen müssten ohne Ausnahmen vorangetrieben werden.
Das Ziel des US-Präsidenten Obama, ein Abkommen in seiner zweiten Amtsperiode abzuschließen, definierte Rösler als ehrgeizig, aber machbar und fügte hinzu, dass auch die Europäische Kommission und die Bundesregierung die Aufnahme zügiger Verhandlungen unterstützen würden. Rösler: „Wir begreifen das Angebot der Vereinigten Staaten von Amerika als echte Einladung zu einem Neustart.“
Die Veranstaltung war Teil einer 5-tägigen Reise des Bundeswirtschaftsministers und einer Delegation deutscher Start-Up Unternehmer. Während Rösler in Silicon Valley, Kalifornien für den IT-Standort Deutschland und eine innovative deutsche Start-up Szene warb, stand in Washington, DC das Thema transatlantisches Investitions- und Handelsabkommen auf der Agenda. (FNF 13.06.2013)