
Während die wissenschaftliche Diskussion über mögliche Waffenlieferungen in den Think Tanks Washingtons kontrovers geführt wird, ist die politische Diskussion im republikanisch dominierten Kongress wesentlich einseitiger: “Schickt Waffen!”, lautet dort die Devise.Auf der Münchener Sicherheitskonferenz wurden die unterschiedlichen Herangehensweisen der Europäer und des politischen Washingtons an diesen Konflikt sehr deutlich. Die Rede von Vize-Präsident Joe Biden auf der Konferenz vermittelte den Eindruck, die Obama-Regierung sei umgehend dazu bereit, Waffen an die Ukraine zu liefern. Die zuvor beschworene Einigkeit in Bezug auf Waffenlieferungen schien zu bröckeln und die westlichen Partner machten den Anschein, sich auseinander zu dividieren. Die Russen rieben sich bereits die Hände. Doch bei ihrem Treffen mit Präsident Obama am darauffolgenden Montag gelang es Bundeskanzlerin Merkel, das Feuer vorerst einzudämmen. Ganz ersticken konnte sie die Kontroverse allerdings nicht. Dass es Merkel gelungen ist, die Risse nochmals zu kitten, hing allerdings nicht in erster Linie mit Merkels Überzeugungskraft zusammen, sondern vielmehr mit Obamas Kalkül: Er weiß, dass er die Russen für die Verhandlungen mit dem Iran noch bis mindestens Mitte April braucht. Dann erwartet das Weiße Haus eine klare Antwort aus Teheran auf die Vorschläge bezüglich des künftigen Umgangs mit dem iranischen Atomprogramm. Dies unterstrich Obama erneut bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Merkel. Seitdem der Sprecher des Repräsentantenhauses John Boehner (R) Anfang März den israelischen Ministerpräsident Benjamin Netanyahu eingeladen hatte, vor beiden Kammern des Kongresses über den Iran und den radikalen Islam zu sprechen, steht das Thema Iran wieder auf der Agenda der amerikanischen innenpolitischen Debatte.
Da Obama in der Regel als Verfechter diplomatischer Lösungen gilt, konnte Merkel mit ihrer Argumentation für mehr Diplomatie bei ihm punkten. Für seinen Hang zur Diplomatie musste der Präsident schon oft genug, und gerade in Bezug auf den Ukraine-Konflikt, harsche Kritik zu Hause einstecken. Der Krieg in der Ostukraine wird in den USA als eine klare russische Invasion gedeutet.
Die unfreundlichen Töne über die deutsche Position in diesem Konflikt, die man in München von Seiten des Kongresses bzw. des State Departments gehört hat, sollten ernst genommen werden. Senator McCain ist für seine undiplomatischen Ausbrüche bekannt und man kann sich über seine Tonlage beschweren. Doch der Senator aus Arizona zählt zu den wichtigsten Stimmen im amerikanischen außenpolitischen Establishment. Seit ihrem vorletzten Besuch hegt er eine persönliche Animosität gegenüber Merkel, weil er damals nicht zu einem privaten Abendessen mit wichtigen Senatoren eingeladen war. Auch wenn seine Kritik gegenüber der Bundeskanzlerin hiervon noch zusätzlich motiviert ist, muss seine Stimme ernst genommen werden. Denn McCain spiegelt die skeptische Haltung der US-amerikanischen Konservativen gegenüber der deutschen Russlandpolitik wider.
Für die Amerikaner ist und bleibt Deutschland das wichtigste Land im Rahmen dieses Konfliktes. Doch sobald der Eindruck entsteht, dass die Russen den Waffenstillstand nur als Verzögerungstaktik bei ihrem Vormarsch in der Ost-Ukraine nutzen, kann man damit rechnen, dass die amerikanischen Stimmen für Waffenlieferungen wieder lauter werden. Dann wird ein ‘Wir sollten noch mehr Diplomatie wagen’ aus Berlin nicht ausreichen, um die Gemüter in Washington zu beruhigen.
Claus Gramckow ist USA-Experte der FNF in Washington, DC.