Grexit, Brexit & Pegida – Ist Europas Demokratie in Gefahr?

Source FNFDer Europaabgeordnete Michael Theurer MdEP überraschte das Washingtoner Publikum der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNF) Anfang Februar 2015 zunächst mit guten Nachrichten: Der wirtschaftliche Ausblick für die EU falle positiv aus. Für 2015 prognostiziere die EU-Kommission ein BIP-Wachstum von 1,7% für die EU und immerhin noch 1,3% für den Euroraum. Im Vergleich zum Wirtschaftswachstum der USA seien dies zwar keine großen Sprünge, so Theurer, doch nach der langen Talfahrt der vergangenen Jahre seien Wachstumswerte über einem Prozent Grund zum Aufatmen. Auch die einstigen Sorgenkinder Spanien, Irland, Portugal und sogar Griechenland würden wieder an Schwung aufnehmen. Mit einem BIP-Wachstum von 1,4% wuchs die spanische Wirtschaft im vergangenen Jahr beinahe so stark wie die deutsche.[1] Die EU habe ihre Finanzkrise fast überstanden.

Euroskeptiker und Rechtspopulisten gewinnen an Einfluss

Doch auch wenn der Blick auf die Wirtschaftszahlen durchaus positiv stimmt, dämpfen andere aktuelle Entwicklungen den Blick auf Europa als Ganzes und Deutschland im Speziellen. Insbesondere in Dresden konnte die islamfeindliche Pegida-Bewegung große Menschenmengen für Demonstrationen gegen „Fremdes“ vereinen und so für negative Schlagzeilen weit über die Grenzen Deutschlands hinaus sorgen. In anderen Teilen Deutschlands blieb der erhoffte Zulauf allerdings aus. Zudem zeigten Gegendemonstranten Flagge und setzten sich für ein weltoffenes, multiethnisches und tolerantes Deutschland ein. Laut Theurer dürfe man den Einfluss von Pegida dennoch nicht unterschätzen. Nationalistische und euroskeptische Parteien und Bewegungen würden EU-weit an Einfluss gewinnen. Parteien wie der französische Front National, die UK Independence Party und die ungarische Jobbik-Partei verbuchten in regionalen und nationalen Parlamenten Mandatsgewinne und hätten auch bei den Europawahlen im vergangen Jahr zugelegt. Diese Tendenzen müsse man im Europäischen Parlament sehr ernst nehmen und genaustens beobachten.

Kurswechsel in Griechenland

Griechenland hingegen schlägt einen Linkskurs ein: Alexis Tsipras und sein Linksbündnis Syriza konnten die Wahlen in Griechenland Ende Januar 2015 für sich entscheiden. DSource wikipedia public domainer Wahlausgang bringe neue Hürden für die EU mit sich: Tsipras kündigte einen Kurswechsel beim bisherigen Sparkurs an und forderte unter anderem Schuldenerleichterungen für sein Land. MdEP Theurer sprach sich sowohl gegen eine Beendigung des Reformkurses als auch gegen einen Schuldenschnitt für Griechenland aus: Mit Rettungsprogrammen und niedrigen Zinssätzen habe Europa dem Land bereits enorm geholfen. Verträge seien einzuhalten und auch die neue griechische Regierung müsse sich an die Vereinbarungen halten. Tsipras müsse realisieren, dass er an Verhandlungen nicht vorbeikomme. Jedoch habe das erste offizielle Treffen zwischen dem deutschen Finanzminister Schäuble und seinem griechischen Amtskollegen Varoufakis bereits gezeigt, dass die beiden Regierungen in absehbarer Zeit auf keinen gemeinsamen Nenner kommen würden.

Weitere finanzielle Unterstützungen für Griechenland lehnte Theurer aber nicht grundsätzlich ab. Er konstatierte jedoch, dass Finanzspritzen alleine die wirtschaftlichen Probleme nicht beheben würden. Die angekündigte quantitative Lockerung (Quantitative Easing) der Europäischen Zentralbank (EZB) stufte er daher als kritisch ein. Der massenhafte Kauf von Staatsanleihen solle die Wirtschaft stärken und einen Preisverfall verhindern. Der EP-Abgeordnete betonte nachdrücklich, dass auch die Geldpolitik an ihre Grenzen stoßen werde, wenn nicht gleichzeitig Strukturreformen durchgesetzt würden. Deshalb plädiere er für ein Wachstumsprogramm, das die tatsächlichen wirtschaftlichen Probleme angehe. Und zu diesen Problemen zähle ausdrücklich nicht der Euro.

Der Euro ist nicht das Problem und nicht die Lösung

Viele Jahre habe die Eurokrise die europäische Debatte bestimmt und das Vertrauen in die Währungsunion vermindert. Laut Theurer sei der Euro an sich jedoch nicht das Problem. Finanzkrisen gäbe es auch in Ländern, die sich nicht der Währungsunion angeschlossen hätten, wie z.B. Bulgarien oder Ungarn. Die Verengung der Diskussion allein auf den Euro verstelle den Blick auf die eigentlichen wirtschaftlichen Probleme. Die EU müsse endlich aus dem Schatten der Euro-Krise heraustreten und sich auf die Zukunft konzentrieren. In Anbetracht der fortschreitenden Globalisierung, einer alternden und schrumpfenden Bevölkerung und bestehender Lücken im Bereich Technologie, müsse sich die EU stärker an den Global Trends orientieren: „Wir brauchen eine Wachstumspolitik, die technologische Vorsprünge und Innovationen umschließt“, so Theurer energisch.

Die EU als Stabilitätsfaktor

Vergleiche manEU 7 die Konflikte außerhalb Europas mit der aktuellen Lage innerhalb der EU, werde einem bewusst, dass es sich bei der EU um ein wahres Friedens- und Stabilitätsprojekt handele. Bewaffnete Konflikte in Afghanistan, Irak, Syrien, Gaza, Libyen, Ägypten, Nigeria und Mali forderten die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinde. Beim direkt vor der eigenen Haustüre stattfindenden Ukraine-Konflikt müsse die EU eine Strategie verfolgen, um den Konflikt einzudämmen und so eine weitere Eskalation zu vermeiden, so Theurer. Die Stärkung der EU als Stabilitätsträger sei aus dieser Perspektive von enormer Bedeutung. Um die sicherheitspolitische Kooperation der Mitgliedsstaaten enger zu schnüren, sprach sich der EU-Abgeordnete für den Aufbau europäischer Militärstrukturen aus: „Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt dafür!“ Ein solches Projekt müsse unbedingt in enger Abstimmung mit den USA und natürlich unter Einbezug der NATO stattfinden.

Europa kommunizieren

Zum Abschluss erklärte Theurer, dass der europäische Integrationsprozess bei weitem kein Selbstläufer sei und nur erfolgreich vertieft werden könne, wenn er richtig kommuniziert wird. Laut Theurer müssten die Staats- und Regierungschefs der EU deshalb an ihrer Kommunikationsstrategie arbeiten. Ein offensiver und offener Dialog mit den Bürgerninnen und Bürgern und die Vermittlung einer klaren Vorstellung darüber, in welche Richtung die EU steuern solle, seien unabdingbar. Nur so könne man den Bürgerinnen und Bürgern ihre Skepsis nehmen und sie für das Projekt EU zurückzugewinnen.

[1] http://ec.europa.eu/economy_finance/publications/european_economy/2015/pdf/ee1_en.pdf