von Claus Gramckow, Repräsentant der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit für die USA und Kanada
Nach 78 Tagen Wahlkampf, dem längsten in der Geschichte Kanadas, haben die kanadischen Wähler gestern einen bekannten Namen zum Wahlsieger erklärt: Justin Trudeau, der älteste Sohn des weltbekannten und legendären kanadischen Premierministers Pierre Trudeau (im Amt von 1968-1984 mit einer kurzen Unterbrechung), ist in die Fussspuren seines Vaters getreten. Seine Partei die ‚Liberale Partei Kanadas‘ (LPC) erreichte 39,5% aller Stimmen.
Das Ergebnis reflektiert die Stimmung der kanadischen Wählerschaft. Die letzten Umfragen vor der Wahl zeigten, dass sich 70% der Wähler einen Regierungswechsel wünschten. Justin Trudeau gelang es im Wahlkampf, diese Stimmung für sich und seine Partei zu nutzen. Justin Trudeau führte einen fehlerlosen und perfekten Wahlkampf. Lagen die Liberalen zu Beginn des Wahlkampfes in den Umfragen noch an dritter Stelle hinter den Konservativen (Conservative Party of Canada) und den Sozialdemokraten (New Democratic Party), gelang es Trudeau die Wähler mit seiner Prioritätensetzung umzustimmen. Seine Wahlkampfthemen, wie etwa Steuersenkungen für die Mittelschicht, Steuererhöhungen für Reiche, ein neues Konjunkturprogramm, für das Trudeau ein dreijähriges Haushaltsdefizit in Kauf nehmen würde, und sein Verpreche,n 25.000 syrische Flüchtlinge bis Ende des Jahres aufzunehmen, fanden positive Resonanz bei den Wählern. Die Versuche der Konservativen, ihn als politisches Leichtgewicht darzustellen und immer wieder zu betonen, dass er noch nicht soweit sei (“He is just not ready”), trugen nicht die erhofften Früchte. Trudeaus souveränes und überzeugendes Auftreten bei den fünf Fernsehdebatten, insbesondere bei der Debatte zum Thema Außenpolitik, hat die Zweifel der Wähler, dass Justin Trudeau für das Amt des Regierungschefs noch nicht bereit sei, beseitigt.
Trudeau ist mit dieser Wahl etwas gelungen, was niemand erwartet hatte. Die Liberale Partei stand kurz vor dem politischen Tod, doch Trudeau hat sie vor dem Abgrund bewahrt. Vor vier Jahren erreichte die Partei das schlechteste Ergebnis in ihrer Geschichte und war bei den Unterhauswahlen 2011 hinter die regierende Conservative Party of Canada und der sozialdemokratischen New Democratic Party auf Rang drei abgerutscht. In den Augen der Wähler war die Liberale Partei wegen innerparteilicher Auseinandersetzungen und einer schwachen Parteiführung schlichtweg nicht wählbar. 2013 wurde dann Justin Trudeau, als sechster Parteivorsitzender in sieben Jahren, zum Chef der LPC gewählt. In den ersten Jahren widmete Trudeau sich dem Wiederaufbau der Partei. Über Spendenkampagnen holte er den finanziellen Rückstand der LPC gegenüber den Konservativen auf und setzte dem Anspruchsdenken innerhalb der Partei ein Ende.
Naturgemäß muss sich Justin mit seinem Vater Pierre vergleichen lassen. Beobachter unterstreichen, dass der junge Trudeau zwar nicht die intellektuelle Tiefe seines Vaters habe, dies aber durch seine Aufgeschlossenheit gegenüber seinen Kollegen und dem Bürger wettmache.
Ein langjähriger Partner und Freund des Transatlantik Dialog Programs der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, Greg Fergus, hat seinen Wahlkreis in überzeugender Manier gewonnen und zieht erstmalig ins kanadische Parliament ein.