
Alle vier Jahre verfolgen Europäer mit Faszination, aber auch mit einigem Kopfschütteln, wie die beiden großen politischen Parteien in den USA, die Republikaner und Demokraten, ihre Kandidaten für den Präsidentschaftswahlkampf küren. Vor dem Hauptwahlgang im November 2016 finden in den USA ab kommender Woche die Vorwahlen statt. Bei diesen Vorwahlen gewinnen die Kandidaten Delegierte, die für sie auf den nationalen Parteitagen im Sommer abstimmen. Die Anzahl der gewonnen Delegierten richtet sich nach Größe des Bundesstaates und der Prozentzahl, die ein Kandidat im jeweiligen Staat erzielt hat. Einzig diese Delegierten haben auf dem Nominierungsparteitag ihrer Partei das Recht, ihren Präsidentschaftskandidaten zu wählen.
Das Vorwahlsystem unterscheidet sich sowohl von Partei zu Partei als auch von Bundesstaat zu Bundesstaat. Während die Demokraten ihre Delegierten an die Präsidentschaftskandidaten im gleichen Verhältnis zu den erhaltenen Wählerstimmen in den Kongresswahlbezirken verteilen, also ‚proportional‘,verfolgen die Republikaner ein gemischtes System. Bei den Vorwahlen in den Bundesstaaten, die zu Beginn der Wahlsaison stattfinden, werden die Stimmen ebenfalls proportional verteilt; bei den Vorwahlen, die später stattfinden, greift das ‚winner-takes-all-Prinzip‘, d.h. der Bewerber mit den meisten Stimmen bekommt alle Delegiertenstimmen des jeweiligen Staates. Die Vorwahlen finden entweder in Form einer Primary statt, was in 41 Staaten der Fall ist, oder in Form eines Caucus, der in neun Staaten durchgeführt wird. Bei einemCaucus treffen sich Parteimitglieder, um gemeinsam zu diskutieren und anschließend zu wählen. Da nur Parteimitglieder abstimmen dürfen, spricht man auch von einer ‚geschlossenen Vorwahl‘. Bei den Primaries gibt es geschlossene, halbgeschlossene und offene Verfahren. Die Stimmabgabe verläuft geheim.

In den USA gibt es keine Meldepflicht und somit sind Bürger nicht automatisch für Wahlen registriert. Bevor sie ihre Stimme abgeben können, müssen sie sich an ihrem Wohnort offiziell zum Wählen registrieren lassen. In vielen Staaten müssen Wähler beim Registrierungsprozess ihre politische Präferenz –Republican, Democrat oder Independent – angeben.
Beide Vorwahlsysteme haben Vor- und Nachteile. Im Gegensatz zur Primary ist ein Caucus sehr zeitaufwendig. Wollen die Parteimitglieder bei einem Caucusihre Stimme abgeben, müssen sie physisch anwesend sein. Eine Briefwahl ist nicht möglich. Daher ist die Wahlbeteiligung niedrig. Am Iowa Caucus nehmen in etwa durchschnittlich 100.000 Parteigänger teil. Die Versammlungen finden an verschiedenen Orten eines Wahlbezirkes wie z.B. Schulen, Rathäusern, Turnhallen aber auch privaten Wohnzimmern statt. Vor der offenen Wahl haben die Teilnehmer die Möglichkeit, Reden zu halten, um ihren jeweiligen Favoriten zu unterstützen.
Bei den Republikanern schreiben die Teilnehmer des Caucus ihren Favoriten auf einen Zettel. Danach wird ausgezählt. Bei den Demokraten wird gewählt, indem sich die Teilnehmer in verschiedene Gruppen zusammenstellen. Jede Gruppe steht stellvertretend für einen Kandidaten und die Gruppenstärke ist ausschlaggebend für das Wahlergebnis. Die Delegierten, die ausgewählt werden, nehmen dann an dem Parteitag im jeweiligen Bundesstaat teil, die sogenannte ‚state convention‘, auf dem sie wiederum Delegierte für den Nominierungsparteitag im Sommer auswählen.
Das System der Primaries ähnelt dem Prozess bei den Hauptwahlen. Auch hier werden Delegierte ermittelt, die am Nominierungsparteitag abstimmen. Einige Bundesstaaten führen geschlossene Primaries (‚closed primaries‘) durch, an denen nur registrierte Mitglieder einer Partei teilnehmen können; unabhängige Wähler können ihre Stimmen nicht abgeben. Bei einer halb geschlossenenPrimary (‚semi-closed primary‘) können sowohl registrierte Parteimitglieder als auch unabhängige Wähler teilnehmen. Bei den offenen Primaries (‚open primary‘) können alle Bürger teilnehmen, unabhängig von ihrer politischen Zugehörigkeit. Hier könnten also auch registrierte Republikaner bei einer demokratischen Primary abstimmen. In den meisten Bundesstaaten ist dies dann auch per Briefwahl möglich.
Während der Vorwahlphase, die sich über mehrere Monate hinzieht, neigen die Wähler dazu, nicht nur anhand von Themen mit nationaler Relevanz, sondern auch aufgrund von lokalen Angelegenheiten, die für ihren jeweiligen Bundesstaat von Belang sind, sich für einen Kandidaten zu entscheiden.
Iris Froeba ist Policy Analyst und Media Officer im Transatlantischen Dialogprogramm der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit mit Sitz in Washington, DC.
Claus Gramckow ist Repräsentant der Stiftung in den USA und Kanada.