FNF-Interview: Das Ende der karibischen Eiszeit? Im Gespräch über die US-Kubapolitik

Kubanische Botschaft Washington, DC Quelle FNF
Kubanische Botschaft Washington, DC (Quelle: FNF)

Ende 2014 hatte Präsident Obama einen drastischen Kurswechsel der US-amerikanischen Kubapolitik angekündigt. Zeitgleich teilte auch der kubanische Staatschef Raúl Castro seine Absicht mit, das Verhältnis zu den USA zu normalisieren. Als erster US-Präsident seit 1928 reist Barack Obama nun am 21. und 22. März nach Kuba. Auf dem Programm steht unter anderem ein Treffen mit Präsident Raúl Castro. Mit seinem Besuch will Präsident Obama die Situation der kubanischen Bevölkerung verbessern und die vorhandenen Differenzen, die nach wie vor zwischen den Ländern bestehen, gegenüber Castro offen ansprechen.

Im Interview mit freiheit.org erläutert Dr. Alejandro A. Chafuen, Vorsitzender des Atlas Network in Washington, DC, was seit der Ankündigung geschehen ist, wie sich der Kurswechsel auf die Situation in Kuba auswirkt und welche Rolle das Thema im Präsidentschaftswahljahr spielt.

Herr Dr. Chafuen, was ist seit der Ankündigung von Präsident Obama Ende 2014 passiert?

Die Obama-Administration arbeitet kontinuierlich daran, die Spannungen zwischen den beiden Regierungen Schritt für Schritt abzubauen, um Geld-, Personen- und Informationsströme zwischen den Ländern zu ermöglichen. Nach wie vor werfen Kritiker dem Präsidenten allerdings vor, mit seiner Kubapolitik einem potenziell volatilen Staat mit einer bedenklichen Menschenrechtsbilanz auf den Leim zu gehen.

Im Rahmen des ‚Summit of the Americas‘, der im Frühjahr 2015 in Panama stattfand, trafen ein Präsident der Vereinigten Staaten und der Staatschef Kubas zum ersten Mal nach über 50 Jahren wieder persönlich aufeinander. Den persönlichen Gesprächen zwischen Raúl Castro und Barack Obama folgte die Ankündigung, dass die diplomatischen Beziehungen zwischen den Ländern wieder hergestellt werden sollen. Am 20. Juli 2015 wurden dann die Botschaften in Washington, DC und Havanna wieder geöffnet. Kurze Zeit später reiste US-Außenminister John Kerry nach Kuba, um die Flaggenzeremonie vor der US-Botschaft zu leiten. Damit war Kerry der erste hochrangige US-Politiker, der seinen Fuß nach jahrelanger Eiszeit auf die Insel gesetzt hat.

Wie sahen die ersten Schritte aus, um die Beziehungen zwischen den USA und Kuba wieder aufleben zu lassen?

AlexChafuen Quelle Atlas Network
Dr. Chafuen (Quelle: Atlas Network)

Die Obama-Administration hat eine Reihe von finanziellen und politischen Änderungen veranlasst, um die Zusammenarbeit zwischen den Ländern weiter zu fördern. US-Verkehrsminister Anthony Foxx reiste nach Kuba, um ein neues Luftverkehrsabkommen zu unterzeichnen. Täglich können nun 110 kommerzielle Flüge zwischen den USA und Kuba angeboten werden. Derzeit reichen die Fluggesellschaften ihre Gebote für Reiserouten ein. Zudem wurden die Reiseregelungen gelockert. Allerdings sind reine Urlaubsreisen aufgrund des noch bestehenden Handelsembargos weiterhin nicht möglich. Das Embargo kann nur durch den Kongress aufgehoben werden. Obwohl die Obama-Administration kontinuierlich Druck ausübt, hat der Kongress sich noch nicht bewegt. Will man als Privatperson heute nach Kuba reisen, dann geht das nur zu Bildungszwecken. Viele Besucher, die derzeit nach Kuba reisen, nehmen daher an Inseltouren teil, die wie die New York Times[1]berichtet im Voraus genehmigt, gut überwacht und voll von kubanischer Regierungs-Propaganda sind.

Die Obama-Administration bemüht sich außerdem, wirtschaftliche Interaktionen mit der Insel zu erleichtern. So hat das US-Finanzministerium in dieser Woche neuen Regelungen für Finanztransaktionen aus Kuba und für kubanische Bürger über US-Banken zugestimmt. Somit können Banken seit dieser Woche Konten für Kubaner einrichten, die in den USA leben und ihr Geld, dass sie in den USA verdienen, an ihre Verwandten oder Freunde in Kuba überweisen möchten. Allerdings sind diese Regelungen vorläufig, bis das Embargo vollständig aufgehoben wird. Ob die Maßnahmen auch zukünftig in Kraft bleiben, hängt davon ab, wer 2017 ins Weiße Haus einziehen wird.

Wie reagiert die Öffentlichkeit auf Obamas Kubapolitik?

Mit dem Ende von Obamas Amtszeit kann sich vieles ändern. Doch Meinungsumfragen zeigen, dass sein Kurswechsel mehrheitlich unterstützt wird, gerade in Gegenden, in denen viele Kubano-Amerikaner leben wie z. B. in Miami. Laut einer Studie des Pew Research Centers stimmen 63 Prozent der Amerikaner dem Kurswechsel zu. Doch nur 32 Prozent glauben, dass die wieder aufgenommenen Beziehungen zu Kuba auch zu mehr Demokratie auf der Insel führen werden. Sogar Exil-Kubaner, die kritisieren, dass das derzeitige Abkommen die Rechte der Opfer des Kommunismus ignoriere, glauben, dass sich die materiellen Bedingungen im Land ändern werden.

Wie wird sich die Wiederaufnahme von Beziehungen auf die Situation in Kuba auswirken?

Der Umschwung könnte so aussehen, wie im Vietnam, wo die Kommunisten immer noch regieren, sich aber die Lebensbedingungen verbessert haben. Ich persönlich stimme dem ehemaligen US-Botschafter in Venezuela und gebürtigen Kubaner Otto J. Reich zu. Er glaubt, dass die kubanischen Kommunisten dem Modell von Putins Russland folgen werden. Das Militär wird wahrscheinlich seine Macht nach dem Tod der Castros erhalten und versuchen das Geschäftsleben innerhalb und außerhalb des Landes zu ‚erobern‘, um seine Machtstellung zu festigen.

Die Entwicklung in Kuba wird intensiv von unabhängigen Menschenrechtsorganisationen weiter beobachtet. Wenn die neue Kubapolitik und weitere Liberalisierung Menschenrechtsverletzungen ignoriert, dann wird dies deutlich angeprangert und würde eine Aufhebung des Handelsembargos erschweren.

Sind die US-Kuba-Beziehungen und Obamas Kurswechsel ein heißes Thema im Rahmen der Präsidentschaftswahlen? Wie positionieren sich die Präsidentschaftsbewerber?

Ende 2014 willigte Kuba ein, den amerikanischen Entwicklungshelfer Alan Gross freizulassen. Die USA stimmten im Gegenzug der Freilassung kubanischer Terroristen zu. Die Freilassung der Gefangenen markierte einen bedeutenden Moment auf dem Weg zur Annäherung zwischen den beiden Ländern. Damals klang Senator Marco Rubio, der vor einigen Tagen das Ende seiner Kandidatur verkündete, sehr wie Donald Trump. Senator Rubio, der selber Sohn kubanischer Einwanderer ist, kritisierte dies als „beschämend für einen Präsidenten“, der behaupte, sich für Menschenrechte einzusetzen.

Senator Ted Cruz, ebenfalls Amerikaner mit kubanischen Wurzeln, bezeichnete die Freilassung und damit den ersten Schritt der Wiederannäherung als einen „tragischen Fehler“. Er verglich die Kuba- mit der Iranpolitik der Obama-Administration: „Genau dann, als die iranische Administration den maximalen Schmerz spürte, hat Obama ihnen ein wirtschaftliches Rettungsseil zugeworfen.“ Genauso mache er es jetzt mit Kuba und verlängere damit „die brutale Unterdrückung und Diktatur der Castro Brüder“. Cruz wirft der Administration auch heute vor, dass sie keine konsequenteren Forderungen gegenüber Kuba gestellt habe und dass der Druck auf Kuba reduziert werde, obwohl das Land weiter gegen Menschenrechte verstößt.

Donald Trump ist da eher pragmatisch. Im Hinblick auf den Kurswechsel äußerte es sich wie folgt: „Es ist in Ordnung! Es ist Ordnung! Aber wir hätten einen besseren Deal aushandeln sollen.“ In gewohnter Manier hat Trump noch keine Details dazu genannt, wie er die Strategie mit Kuba verbessern will. Zwei der Außen- und Sicherheitsexperten, die Trump unterstützen, Gary Berntsen, ein ehemaliger CIA Bediensteter, und J. D. Gordon, ehemals Befehlshaber der Navy und Sprecher des Pentagon, haben in der Region gearbeitet und besitzen ein sehr umfangreiches Wissen über kubanische Vergehen in Lateinamerika.

Hillary Clinton wird Obamas Öffnungspolitik fortsetzen und vermutlich den Fokus etwas weniger auf Kubas Menschenrechtsverletzungen richten. Sie und Donald Trump sind in der Kubafrage nicht weit voneinander entfernt, werden ‚buttom-up entrepreneurship‘ fördern und auch weitere Deals mit der kubanischen Regierung eingehen. Und selbst Senator Sanders würde wohl keinen Druck auf Kuba ausüben.