
Der erklärte konservative Ted Cruz gewinnt zwar im Mormonenstaat Utah die Vorwahlen, seine Strategie das “gläubige, prinzipienfeste Hoffnungsbanner” zu sein geht aber alles in allem nicht auf.
Religion ist für Amerikaner ein wichtiger Bestandteil des öffentlichen Lebens. Seit der Gründung der Vereinigten Staaten prägt der Glaube den Alltag der Amerikaner. Viele der ersten Einwanderer haben Europa verlassen, weil sie in ihren Heimatländern wegen ihrer Religion verfolgt wurden. Seit 1789 ist die Religionsfreiheit in der US-Verfassung verwurzelt, um zu garantieren, dass jeder Amerikaner seine Religion ohne Einmischung des Staates ausüben kann. Eine Staatskirche oder einen religiösen Dachverband gibt es nicht. Über die Jahre hat sich eine Vielzahl von kleinen und großen Religionsgruppen entwickelt, die sich durch die Unterstützung der Gemeinden und durch Spenden der Gläubiger finanzieren.
Gerade in ländlichen Gebieten haben die Gemeinden einen hohen Stellenwert, und zwar weit über den Besuch des Gottesdienstes hinaus. Religiöse Einrichtungen stehen im Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens und dienen als Ort der Begegnung und der Erziehung. Trotz verfassungsmäßiger Trennung von Staat und Kirche verwischen die Grenzen zwischen Religion und Politik in den Vereinigten Staaten so stark wie in kaum einem anderen westlichen Land. Für viele Amerikaner ist es wichtig, dass ihr Präsident gläubig ist und religiös motivierte Wähler können wahlentscheidend sein.
Eine Studie des Pew Research Centers[1] analysiert die Zusammenhänge zwischen Religionszugehörigkeit und politischer Orientierung der US-Amerikaner. Die größte politische Diskrepanz gibt es zwischen Mormonen und Anhängern der traditionell afro-amerikanisch protestantischen Gemeinden wie etwa der African Methodist Episcopal Church oder der National Baptist Convention. Sieben von zehn Mormonen identifizieren sich mit der Republikanischen Partei oder gaben an, dass sie in ihren politischen Ansichten zur Republikanischen Partei tendieren. Auch die evangelikalen Gemeinden wie etwa die Church of Nazarene (63%), die Southern Baptist Covention (64%), dieAssemblies of God (57%), die Presbytarian Church in America (60%) oder dieChurch of God (52%) zählen sich mehrheitlich zur Republikanischen Partei. Am anderen Ende des Spektrums identifiziert sich die weit überwiegende Mehrheit (92%) der Miglieder der African Methodist Episcopal Church mit der Demokratischen Partei. Auch die afro-amerikanischen Gemeinden National Baptist Convention (87%) und Church of God in Christ (75%) zählen sich mehrheitlich zu den Demokraten.
Die Katholiken in den USA sind politisch gespalten. Während 37% der amerikanischen Katholiken angaben, sich der Republikanische Partei zugehörig zu fühlen, stehen 44% der Demokratischen Partei nahe. 19% identifizieren sich weder mit der einen noch der anderen Partei. Bei den Mitgliedern der Gemeinden der Mainline Church, also protestantischer Kirchen mit moderater Theologie, sieht es ähnlich aus wie bei den Katholiken. Beispielsweise zählen sich 44% der Mitglieder der Presbytarian Church zu den Republikanern und 47% zu den Demokraten. Auch die jüdische Gemeinde in den USA tendiert mehrheitlich (64%) zu den Demokraten. Ähnlich sieht es bei den Muslimen (62%), Hindus (61%) und Buddhisten (69%) aus.
Im aktuellen Vorwahlkampf ist diesmal alles anders. Cruz hatte auf das traditionelle Wahlmuster spekuliert und hoffte, die Stimmen der Evangelikalen zu gewinnen. Doch viele seiner Stammwähler hat er bereits and seinen Kontrahenten Donald Trump verloren. Beim Super Tuesday gewann Trump die Wählergruppe der Evangelikalen in fast allen Bundesstaaten. So wie das Establishment insgesamt von der Anziehungskraft Trumps überrascht wurde, verhält es sich offenbar auch mit den Stimmen konservativer gläubiger Wähler. Dass Trump so viel Zuspruch von dieser Seite bekommt, frustriert nicht nur Cruz, sondern auch viele Anhänger der evangelikalen Kirche selbst. Sie können nicht verstehen, dass bibeltreue Christen einen Kandidaten unterstützen, der bereits drei Mal verheiratet war, mit Beleidigungen um sich wirft, überheblich wirkt und darüber hinaus nicht regelmäßig in die Kirche geht. Einige Evangelikale sind mittlerweile so verärgert, dass sie sich von der Gemeinde trennen und sich selbst nicht mehr als Evangelikale bezeichnen, um nicht mit den Trump-Unterstützern assoziiert zu werden.
Die Evangelikalen scheinen gespalten zwischen Idealismus, verkörpert durch Cruz, und Pragmatismus, verkörpert durch Trump. Nachdem der amerikanische Supreme Court die gleichgeschlechtliche Ehe im Sommer 2015 landesweit für rechtens erklärte, haben viele Evangelikale die Hoffnung aufgegeben, dass die staatlichen Institutionen biblische Werte aufrechterhalten. Daher sind sie jetzt auf der Suche nach einem Präsidenten, der Führungsstärke zeigt und dafür sorgt, dass das Land ihrer Ansicht nach nicht noch weiter nach links abdriftet.
Iris Froeba, Policy Analyst und Media Officer, Transatlantisches Dialogprogamm, Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit