FNF-Analyse: BREXIT – “Handle with care”: Über den Versuch, die Briten von der EU-Mitgliedschaft zu überzeugen

Anlässlich seines Besuchs des Vereinigten Königreichs hat US-Präsident Obama sich in einer Rede klar für den Verbleib Großbritanniens in der EU ausgesprochen. Er betonte die wirtschaftlichen Vorteile der EU-Mitgliedschaft und mahnte, ohne EU-Mitgliedschaft könne sich Großbritannien gleich am Ende der Warteschlage für bilaterale Freihandelsabkommen anstellen. Eloquent und überzeugend hat Präsident Obama EU-Befürwortern aus Herz und Seele gesprochen. Allerdings darf man davon ausgehen, dass seine Rede keine großen Auswirkungen auf die Abstimmung haben wird und es könnte sogar passieren, dass er mit seinen Worten ungewollt die „Out“-Kampagne unterstützte. Bei allen Debattenbeiträgen zum Referendum gilt: „handle with care“.

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[BREXITLa Veu del País Valencià/ flickr]

Warum wollen so viele Briten die EU verlassen? Der „Out“-Wähler glaubt, eine EU-Mitgliedschaft koste mehr als sie Vorteile bringt und die Mitgliedschaft gefährde britische Arbeitsplätze. Obama unterstrich in einem Zeitungsartikel und einer Rede daher vor allem die wirtschaftlichen Vorteile einer Mitgliedschaft. Als EU-Mitglied habe Großbritannien Direktzugriff zu seinem größten Exportmarkt. Weiterhin betonte er, dass Großbritannien nur als EU-Mitglied Teil eines EU-US-Freihandelsabkommen wäre. In der Tat schafft ein TTIP-Abkommen große Vorteile auf beiden Seiten des Atlantiks. Doch gerade der Teil der britischen Bevölkerung, der die EU-Mitgliedschaft kritisiert, bezweifelt auch die Vorteile eines Handelsabkommens.

Der „Out“-Befürworter ist ein schwieriges, kaum zu erreichendes Wesen: Er sieht das Vereinigte Königreich durch die EU fremdbestimmt und sagt hierzu „Nein“. Und gerade weil er jeglichen externen Einfluss ablehnt, kann ihn auch ein US-Präsident kaum davon überzeugen, dass Großbritannien zur EU gehört. Laut einer YouGov-Umfrage fanden 53% der Briten Obamas Rede unpassend. Brexit-Befürworter und Tory-Abgeordneter Liam Fox formulierte es so: “The president is of course welcome to his view when the US has an open border with Mexico, a supreme court in Toronto and the US budget set by a pan-American committee”.

Im „In“-Lager wurde die Rede hingegen sehr positiv aufgenommen. Überzeugte Europäer und glühende EU-Anhänger waren von Präsident Obamas Rede regelrecht begeistert. Der Vorsitzende der Liberal Democrats, Tim Farron, tweetete nach der Rede: „Obama has been very clear. We need to keep leading the way. We need to stay #INtogether – Join us today!“.

Gegenwärtig zeichnet sich ein knappes Ergebnis bei dem Referendum ab. In jüngsten Meinungsumfragen hat die „In“-Seite einen knappen Vorsprung. Nur noch rund zehn Prozent der Wähler sind noch unentschieden. Umso wichtiger ist eine Mobilisierung der Basis im Rahmen der „In“-Kampagne, um der emotionalisierten #Out-Kampagne etwas entgegenzusetzen. Hierzu könnte die Obama-Rede in einem Land, dass so sehr auf seine besonderen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten Wert legt, beigetragen haben. Allerdings bewertete Camino Mortera-Martinez von der britischen Denkfabrik Centre for European Reform die Rede als “something that we were expecting to have a big impact but that may have actually been counter-productive“.

Noch ist es zu früh, um mögliche Auswirkungen der Obama-Rede auf das Wahlverhalten der Briten abzuschätzen. Doch eines offenbarte Obamas flammendes Plädoyer für eine britische EU-Mitgliedschaft: Bei den Befürwortern der In-Kampagne gibt es keine überzeugende Führung. Premierminister Cameron ist zwar ein Verfechter eines Verbleibs Großbritanniens in der EU, aber begeistern konnte er bislang nicht. Vielleicht haben deshalb so viele EU-Anhänger Obamas Rede als Befreiungsschlag begrüßt.

Insgesamt gilt für jede Stellungnahme von außen: „handle with care, it might backfire“.

Håvard Sandvik ist Europareferent der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Brüssel.