Kaum war klar, dass Trump die Kandidatur nicht mehr zu nehmen ist, da unterstrichen die beiden ehemaligen Präsidenten George Bush und George Bush jr. sowie der ehemalige republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney bereits, dass sie Trump nicht unterstützen würden. Auch der ranghöchste gewählte Amtsinhaber der Republikaner, der Sprecher des Repräsentantenhauses Paul Ryan, hat seine Bedenken gegenüber Trump öffentlich zum Ausdruck gebracht. Bevor Ryan sich entscheidet, ob er den designierten Kandidaten der Republikanischen Partei unterstützt, will er ein persönliches Gespräch mit ihm abwarten. In der amerikanischen Parteiengeschichte ist dies in den letzten 100 Jahren nicht vorgekommen.
Nicht konservativ genug
Als interessierter Beobachter könnte man nun meinen, dass der Grund für die Spaltung der Partei Trumps beleidigende, überspitzte Stammtischrhetorik sei. Doch das Partei-Establishment ist nicht von Trumps Wortwahl abgeschreckt, sondern traut seiner Ideologie nicht. Aus Sicht des Establishments ist Trump bei den für die Partei entscheidenden politischen Fragen nicht konservativ genug. Deshalb gibt es in den oberen Etagen der Partei ernsthafte Überlegungen, einen Drittkandidaten ins Rennen zu schicken. Ein solcher Schachzug würde die Republikanische Partei allerdings endgültig spalten und der wahrscheinlichen Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, den Sieg schenken.
Worin begründet sich die Unruhe in den Reihen republikanischer Amtsinhaber? Die Antwort ist banal: Im November wird nicht nur der Präsident gewählt, sondern auch alle Abgeordneten des Repräsentantenhauses, ein Drittel der US-Senatoren, die Mehrheit der Gouverneure sowie Landtagsabgeordnete. Im Moment genießen die Republikaner in den meisten dieser Institutionen die Mehrheit. Doch es macht sich die Angst breit, dass viele potenzielle republikanische Wähler entweder einen demokratischen Kandidaten wählen oder gar nicht erst zur Wahl gehen, um ihre Abneigung gegenüber Trump zum Ausdruck zu bringen.
Unbeliebter Trump
Dass diese Angst begründet ist, zeigt sich, wenn man einen Blick auf den möglichen Ausgang der US-Senatswahlen wirft. Neben den sechs Bundesstaaten, in denen demokratische Kandidaten eine gute Chance haben, ihre republikanischen Kontrahenten zu besiegen, sind nun auch die Wiederwahlen von John McCain in Arizona und Charles Grassley in Iowa, die stets als sichere Sitze galten, in Gefahr. Beide Senatoren könnten aufgrund der Apathie der republikanischen Wähler sowie der hohen Motivation der hispanischen Wählerschaft, demokratisch zu wählen, ihr sicher gewähntes Mandat verlieren.
Die Angst nährt sich zudem aus der großen Unbeliebtheit Trumps beim Wahlvolk. Aktuelle Umfragen zeigen, dass 66 Prozent der Wähler Trump nicht mögen. Gerade unter den wichtigen Wählergruppen der Hispanics und der Frauen hat sich Trump aufgrund seiner xenophoben, sexistischen und politisch nicht korrekten Aussagen im Laufe des Vorwahlkampfes besonders unbeliebt gemacht.
Doch bei all den Statistiken, die gegen Donald Trump sprechen, bleibt eine entscheidende Frage offen: Wie weit reicht der Trump’sche Populismus in die Mitte der Gesellschaft? Im Moment kann diese Frage niemand eindeutig beantworten und sie wird wohl auch bis zur Auszählung der Stimmen am Wahlabend im November unbeantwortet bleiben.
Claus Gramckow, Repräsentant USA und Kanada, Transatlantisches Dialogprogramm, Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit