
Hillary Clinton hat es geschafft: Sie hat die notwendige Mehrheit der demokratischen Delegierten hinter sich gebracht. Zum ersten Mal in der Geschichte der USA hat damit eine Frau die Nominierung einer der beiden großen Parteien zur Präsidentschaft gewonnen. Mit 2,203 Delegierten und 577 Superdelegierten hat sie die Schwelle von 2,383 Delegierten, die für die Nominierung notwendig sind, überschritten. Dabei muss man jedoch bedenken, dass die Superdelegierten, die Clinton ihre Unterstützung zu sichern, theoretisch ihre Meinung noch ändern könnten. Deshalb hat auch ihr Mitstreiter Bernie Sanders seinen Wahlkampf noch nicht aufgegeben. Dass die Mehrzahl der Superdelegierten tatsächlich ihre Meinung ändert, ist aber unwahrscheinlich. Clinton kann sich damit auf der sicheren Seite fühlen. Mit ihrem Erfolg bei den Vorwahlen hat die Kandidatin die ‚Gläserne Decke‘[1] durchbrochen, der sie bei ihrem Wahlkampf im Jahr 2008 bereits tiefe Risse verliehen hatte.
Vor genau acht Jahren verlor Clinton den Vorwahlkampf gegen den heutigen Präsidenten Barack Obama. Ihre Abschiedsrede gilt bis heute als emotional und denkwürdig. Trotz der Niederlage betonte Clinton in ihrer Rede die Erfolge ihres Wahlkampfes. So habe jeder Wähler, der sich für sie entschieden hätte, einen Riss in der ‚Gläsernen Decke‘ hinterlassen. Insgesamt waren es 18 Millionen Risse. Obwohl die bewegende Rede das Ende ihrer Kandidatur bedeutete, war schnell klar, dass sie mit dem Plan, die erste Frau im mächtigsten Amt der Welt zu werden, noch nicht abgeschlossen hatte. Rückblickend sehen viele Beobachter ihre Abschiedsrede als Auftakt ihres jetzigen Wahlkampfes.
Anders als 2008 zieht Clinton in diesem Wahlkampf bewusst die „Frauen-Karte“. Vor acht Jahren positionierte sie sich als außenpolitische Expertin und verkündete, dass sie nicht als Frau antritt. Dass ihr Geschlecht auch ein Vorteil sein könnte, merkte Clinton zu spät. Heute stellt sie ganz klar frauenpolitische Themen in den Vordergrund ihrer Kampagne. Die einzige weibliche Kandidatin im Rennen um das Weiße Haus zu sein, sieht sie nicht als Nach-, sondern als Vorteil: „Wenn ‚die Frauen-Karte ziehen‘ bedeutet, dass ich mich für gerechte Löhne und eine frauengerechte Gesundheitsversorgung einsetze, dann bin ich dabei“ so Clinton. Die drei Wörter „Deal! Me! In!“ wurden zum festen Bestandteil ihrer Wahlkampagne, um zu betonen, dass sie sich trotz Anfeindungen von u.a. Donald Trump nicht scheut, die „Frauen-Karte“ auszuspielen.
Die Wählerstimmen der Frauen waren für Clinton im Vorwahlkampf entscheidend. Denn in den Primaries und Caucuses[2] stellen Frauen die Mehrheit der demokratischen Wählerschaft. Zwar schneidet Clinton bei jüngeren Frauen zwischen 19 und 29 Jahren schlechter ab als ihr Mitstreiter Bernie Sanders. Im Durchschnitt liegt sie bei der Wählergruppe der Frauen aber vorne. Der öffentliche Rundfunk in den USA, NPR, hat landesweit Frauen gefragt, warum sie Hillary Clinton wählen. Während die einen für Clinton stimmen, weil sie eine Frau ist, schätzen die anderen ihre Intelligenz und Expertise. In einem waren sich die Befragten aber einig: Clinton ist ihre Kandidatin, weil sie sich für Frauen starkmacht, frauenpolitische Themen versteht und als erste weibliche Präsidentschaftskandidatin einen Meilenstein in der amerikanischen politischen Geschichte setzt.[3]
Hillary Clintons Einzug ins Weiße Haus hätte nicht nur einen hohen symbolischen Wert. Ihre Präsidentschaft hätte auch starken Einfluss auf die Rollenverteilung in der Regierung und der US-Politk. Bei einer Wahlkampfveranstaltung in Pennsylvania verkündete die Kandidatin bereits, dass sie die Hälfte der Regierungsposten mit Frauen besetzen wolle, um ein Kabinett zu haben, das das Geschlechterverhältnis Amerikas widerspiegelt.
Trotz des Erfolges im Vorwahlkampf bleiben Clintons Probleme jedoch bestehen: Zwar hat sie die Mehrheit der demokratischen Wählerinnen auf ihrer Seite, doch ihre niedrigen Zustimmungswerte zeigen, dass es bei den Hauptwahlen im November schwierig für sie werden könnte. Clintons größtes Problem ist ihr Name und ihre lange politische Geschichte. Sie gehört zum Partei-Establishment. Doch genau mit diesem Partei-Establishment haben die Wähler abgeschlossen. Sie wollen einen Kurswechsel, frischen Wind statt Polit-Aristokratie. Hinzukommt, dass Clinton keine gute Wahlkämpferin ist. Das wurde ihr schon 2008 zum Verhängnis, als sie sich gegen den charismatischen Obama versuchte durchzusetzen. Bei TV-Debatten oder bei Wahlkampfauftritten wirkte sie statisch und kühl. Um nicht als „zu weich“ abgestempelt zu werden, legte sie sich beim Wahlkampf 2008 eine harte Schale zu. Diese konnte sie bisher nicht ablegen. Zwar kennt sie ihre Positionen und Fakten, doch erreicht sie damit nicht die Herzen der Wähler. Politische Beobachter sind sich einig, dass Clinton eine gute Präsidentin wäre. Jedoch sei sie keine gute Wahlkämpferin. Damit wird der Hauptwahlkampf zur Herausforderung.
[1] Der Begriff ‚Gläserne Decke (glass ceiling)‘ stammt ursprünglich aus den USA und bezeichnet eine unsichtbare Barriere, die v.a. Frauen am beruflichen Aufstieg hindert.
[2] Primaries sind geheime Wahlen auf Staatsebene. Im Gegensatz dazu werden in manchen Bundesstaaten sogenannte Caucuses durchgeführt, bei denen sich die Bürger in einer meist offenen Abstimmung, etwa durch Handheben, für einen Kandidaten aussprechen.
[3]http://www.npr.org/2016/04/16/474234330/hillary-clinton-the-gender-card-and-what-it-could-mean-in-november
Iris Froeba, Policy Analyst und Media Officer, Transatlantisches Dialogprogramm, Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit