
Nach dem Anschlag in Orlando, Florida, bei dem Medienberichten zufolge 50 Menschen gestorben und weitere 53 verletzt wurden, steht das Land unter Schock. Die Fahnen an allen öffentlichen Gebäuden wehen auf Halbmast. Angehörige und Zeugen trauern. Im Minutentakt werden neue Informationen über das Attentat im „Pulse Club“ veröffentlicht. Die US-Bundespolizei FBI stuft die Tat als möglichen Terrorakt ein. Auch Präsident Barack Obama spricht von einem „Akt des Terrors und Akt des Hasses“ und von „hausgemachtem Terrorismus.“ Auch wenn noch viele Fragen offen sind, steht eines fest: Orlando geht als folgenschwerste Massenschießerei in die Geschichte der USA ein.
Der Täter: Ein junger Muslim, der dem FBI bekannt war und sich zum Islamischen Staat (IS) bekannte. Der Tatort: Ein Nachtclub, der vor allem in der LGBT*-Szene beliebt ist. Der Tatgegenstand: Ein halbautomatisches Sturmgewehr, das in den meisten US-Bundesstaaten legal gekauft werden kann. Das Motiv: ungeklärt. Die Dimension der Tragödie löst Diskussionen in verschiedene Richtungen aus: Vom internationalen Terror und Islamismus über die US-Waffengesetze bis zur Akzeptanz von sexuellen Minderheiten in den USA. Der Anschlag trifft die USA mitten im Wahljahr. Politik und Tragödie lassen sich nicht trennen. Während die Angehörigen noch in Schockstarre sind, wird Orlando zum Wahlkampfthema Nummer eins. Die Präsidentschaftskandidaten müssen Stellung beziehen und ihre Kampagnen an die aktuellen Ereignisse anpassen.
Donald Trump nutzt das Attentat für seine politischen Zwecke. Die Themen islamistischer Terrorismus und Einwanderung sind seit Beginn des Präsidentschaftswahlkampfes fester Bestandteil seiner Kampagne. In typischer Trump-Manier meldete er sich zuerst auf Twitter zu Wort.
Zunächst zeigte er sich bestürzt über die Tat. Doch seine Aussagen, in denen er sich auf den möglichen islamistischen Hintergrund des Anschlages konzentriert, verschärften sich zunehmend: „Ich freue mich über die Glückwünsche dafür, dass ich richtig lag bezüglich des radikalen Terrorismus.“ Kurz darauf attackierte er Präsident Obama, den er für seine Zurückhaltung hinsichtlich der Bekämpfung des internationalen Terrorismus kritisiert: „Wird Präsident Obama endlich die Worte ‚radikaler-islamischer Terrorismus‘ aussprechen? Wenn er das nicht tut, sollte er unverzüglich in Schande zurücktreten.“ Auch in seiner formellen Pressemitteilung forderte Trump den Rücktritt Obamas und mahnte Hillary Clinton, dass sie ihre Präsidentschaftskandidatur aufgeben sollte, wenn sie nicht dazu in der Lage sei, die Worte ‚radikaler Islam‘ auszusprechen. Außerdem warnte er davor, dass die Zahl der Einwanderer aus dem Nahen Osten unter Clinton stark ansteigen würde. Trump fühlt sich in seinen Aussagen, mit denen er während des Vorwahlkampfes immer wieder für Kritik gesorgt hatte, bestätigt. Seine Reaktion auf den Anschlag kommt einer Selbstbeweihräucherung gleich. Eine strikte Einwanderungspolitik und militärische Härte gegen den IS sind für Trump die einzig logische Konsequenz.
Hillary Clintons und Bernie Sanders Aussagen waren dagegen eher verhalten und konventionell. Über Facebook wiederholte Clinton Obamas Worte und bezeichnete die Anschläge als einen „Akt des Terrors und des Hasses.“ Internationale Terrororganisationen müssten gemeinsam mit Verbündeten bekämpft und davon abgehalten werden, Unterstützer in und außerhalb der USA zu rekrutieren und zu radikalisieren. Clinton ging in ihren Statements außerdem direkt auf die Opfer der Tat ein, indem sie der LGBT-Gemeinschaft ihre volle Unterstützung zusicherte. Die Präsidentschaftsbewerberin nimmt die Tragödie aber auch zum Anlass, für striktere Waffengesetze und schärfere Kontrollen beim Waffenverkauf zu werben. So könne man verhindern, dass Schusswaffen in die Hände von Verbrechern und Terroristen fallen.
Clinton setzt derweil auf Geschlossenheit und Integration. In dieser schweren Zeit müssten alle Amerikaner, Demokraten sowie Republikaner, zusammenhalten, um die Bedrohung gemeinsam einzudämmen. Muslime auszugrenzen, würde nicht die Vereinigten Staaten, sondern die Terrororganisationen stärken. Beobachter vermuten, dass Clinton, mit Unterstützung von Barack Obama, die Reform der lockeren US-Waffengesetze weiter thematisieren wird. Doch werden die Wähler der außenpolitischen Expertin auch in Sachen nationale Sicherheit ihr Vertrauen schenken? Oder ist die Angst nach Orlando so groß, dass ihnen Clintons Streben nach Geschlossenheit und Integration nicht weit genug geht?
Die Ermittlungen sind längst nicht abgeschlossen. Viele Fragen bleiben offen. Daher ist es zurzeit schwer abzusehen, welche genauen Auswirkungen die Tragödie auf den Präsidentschaftswahlkampf haben wird.
Iris Froeba ist Policy Analyst und Media Officer im Transatlantischem Dialogprogramm der Stiftung für die Freiheit mit Sitz in Washington, DC.
LGBT* ist eine englische Abkürzung für Lesbian, Gay, Bisexual und Transgender (deutsch: Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender).