Dossier US-Wahlen: Von „Swing States“ und Wahlmännern – Der Weg ins Weiße Haus

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Quelle: pixabay public domain

Nach den Nominierungsparteitagen stehen die Präsidentschaftskandidaten der beiden großen Parteien fest. Hillary Clinton und Donald Trump stehen nun mit beiden Beinen im Hauptwahlkampf. Die Kandidaten könnten unterschiedlicher nicht sein: Partei-Establishment trifft auf Populist. Doch eines haben Clinton und Trump gemeinsam: Sie sind gleichermaßen unbeliebt bei den Wählern.

Während Trump wie schon im Vorwahlkampf mit provokativen, xenophoben und sexistischen Aussagen für Aufsehen sorgte, gilt Clinton als Lügnerin und Strippenzieherin der bei den Bürgern so unbeliebten „Washington-Politikmaschine“. Laut aktuellen Umfragen liegt Hillary Clinton mit durchschnittlich 46,7 Prozent vor Donald Trump, der auf 41,7 Prozent abgerutscht ist.[1] Doch nationale Umfragen sind immer mit Vorsicht zu genießen. Entscheidend ist die Stimmung in den „Swing States“, die die Wahl entscheiden können.

Präsidentschaftswahl in drei Phasen

Am 8. November 2016 stimmen die Amerikaner in einer indirekten Wahl über den nächsten Präsidenten bzw. die nächste Präsidentin der Vereinigten Staaten ab. Am gleichen Tag werden auch alle 435 Abgeordneten im Repräsentantenhaus und 34 der 100 Senatoren neu gewählt. Die Kongressabgeordneten werden direkt von den Bürgern gewählt. Das Mindestwahlalter liegt bei 18 Jahren. Um abstimmen zu können, muss sich jeder Amerikaner selbst registrieren, da es in den USA keine Einwohnermeldeämter gibt. Wegen dieser Registrierungshürde ist die Wahlbeteiligung relativ gering. Bei der letzten Wahl im Jahr 2012 lag sie bei 57,5 Prozent. Der Wahlprozess ist von Bundesstaat zu Bundesstaat unterschiedlich. In 34 Staaten und dem District of Columbia gibt es das „Early Voting“, d.h. Wähler können schon vor dem Wahltag im November ihre Stimme abgeben. In einigen Staaten können sie das per Briefwahl tun, in anderen Staaten müssen sie ihr Häckchen im Wahllokal setzen. In den Bundesstaaten Washington, Colorado und Oregon wird nur per Briefwahl abgestimmt.

Quelle: Vote flickr by Theresa Thompson

Da es sich bei den Präsidentschaftswahlen um eine indirekte Wahl handelt, wird nicht der Präsident gewählt, sondern Wahlmänner, die dann in einem nächsten Schritt stellvertretend für die Bürger den Präsidenten wählen. Wie viele Wahlmänner einem Bundesstaat zustehen, ist abhängig von der Bevölkerungzahl und der daraus resultierenden Präsenz im U.S.-Kongress. Jeder Staat hat so viele Wahlmänner, wie er Abgeordnete im Senat und im Repräsentantenhaus hat. Kalifornien hat beispielsweise 55 Wahlmänner, da der Staat zwei Senatoren und 53 Abgeordnete im Repräsentantenhaus hat. Bevölkerungsarme Staaten wie Alaska, Delaware oder North Dakota haben nur drei Wahlmänner. Insgesamt werden 538 Wahlmänner gewählt, die das Wahlmännerkollegium, das sogenannte „Electoral College“ bilden. Diese Zahl setzt sich aus den 100 Senats- und 435 Abgeordnetensitzen im Repräsentantenhaus zusammen. Zudem sind dem District of Columbia drei Wahlmänner zugeschrieben.

41 Tage nach dem Wahltag treffen sich alle Wahlmänner in den Hauptstädten ihrer Bundesstaaten, um den Präsidenten bzw. die Präsidentin und den Vizepräsidenten in einer geheimen Abstimmung zu wählen. In den meisten Bundesstaaten ist gesetzlich festgelegt, dass sich die Wahlmänner bei ihrer Stimmabgabe nach dem Votum der Wähler richten müssen. Anfang Januar werden die im Dezember abgegebenen Stimmen offiziell vor dem versammelten Kongress ausgezählt. Natürlich steht der Gewinner schon am 8. November fest. Die Amtseinführung findet am 20. Januar 2017 statt.

Um die Präsidentschaftswahl zu gewinnen, braucht ein Kandidat die absolute Mehrheit von 270 Wahlmännerstimmen. Wenn beide Kandidaten genau 269 Wahlmännerstimmen auf sich vereinen, dann wählt gemäß dem 12. Zusatzartikel der U.S.-Verfassung das neu zusammengesetzte Repräsentantenhaus den Präsidenten. In 48 Bundesstaaten gilt das „Winner-Takes-It-All-Prinzip“, d.h. alle Wahlmännerstimmen gehen an den Kandidaten, der die Mehrheit der Stimmen im jeweiligen Bundesstaat erhalten hat. In Maine und Nebraska werden die Stimmen proportional verteilt.

Wegen des „Winner-Takes-It-All-Prinzips“ kann es passieren, dass ein Kandidat die Wahl gewinnt, obwohl die Mehrheit der Wähler nicht für ihn gestimmt hat. Denn entscheidend für die Wahl ist die Anzahl der Wahlmännerstimmen. Und so kann auch der Kandidat mit weniger Wählerstimmen gewinnen, wenn er eine Mehrheit im „Electoral College“ hinter sich hat. Das war zuletzt vor 16 Jahren der Fall. Damals konnte der Demokrat Al Gore mehr Wählerstimmen auf sich vereinen als sein republikanischer Kontrahent George W. Bush (48,4 zu 47,9 Prozent), der allerdings mehr Wahlmännerstimmen sammelte und damit die Wahl gewann.

„Swing States“ entscheiden das Rennen

Quelle: flickr by Donkey Hotey

In den USA gibt es „red states“ wie z.B. Texas, die traditionell republikanisch wählen, und „blue states“ wie z.B. Kalifornien, die traditionell demokratisch wählen. In den roten und blauen Staaten gilt der Wahlausgang schon im Vorfeld als sicher. „Swing States“ – zu Deutsch: Wechselstaaten – sind diejenigen Staaten, in denen der Ausgang ungewiss ist. Sowohl Demokraten als auch Republikaner haben eine Chance, die Wahlmänner dieser Staaten zu gewinnen. Die „Swing States“ werden auch „Purple States“, „Toss-up States“ oder „Battleground States“ genannt, da diese Staaten von den Kandidaten ganz besonders hart umkämpft sind. Der Wahlkampf läuft hier auf Hochtouren.
Die Aufteilung in blau und rot zeigt, wie polarisiert die Vereinigten Staaten sind. Es gibt immer weniger Bundesstaaten, in denen sowohl Demokraten als auch Republikaner Erfolgsaussichten haben. Heute zählen Nevada (6)[2], Colorado (9), Florida (29), Ohio (18), Iowa (6), New Hampshire (4), Virginia (13), Wisconsin (10), Michigan (16),  North Carolina (15) und Pennsylvania (20) zu den „Swing States“. Dabei gelten Nevada, Colorado, Florida, Ohio, Virginia, Iowa und New Hampshire als besonders umkämpft. Im Bundesstaat Nevada werden die Differenzen deutlich: Auf der einen Seite spielt das Thema Einwanderung eine bedeutende Rolle. 19 Prozent der Bevölkerung sind Einwanderer, vorwiegend aus Lateinamerika und asiatischen Ländern. Diese Wählergruppe wählt tendenziell eher demokratisch. Auf der anderen Seite hat Nevada eine der höchsten Arbeitslosenquoten in den USA. Die Zahl der Arbeitslosen ist hier fast doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt. Viele Wähler, die von der Arbeitslosigkeit betroffen sind, vertrauen darauf, dass Trump die Wirtschaft ankurbeln wird.

In aktuellen Umfragen liegt Hillary Clinton in vielen Wechselstaaten vor Donald Trump: In Colorado und Virginia mit elf Prozentpunkten, in New Hampshire mit fünf, in Florida mit vier, in Ohio mit drei, in Nevada mit zwei, und in Iowa mit einem Prozentpunkt.[3] Selbst in den traditionellen „red states“ Arizona und Georgia liegt Trump mit Clinton momentan nur fast gleichauf.

Doch auf diese Vorhersagen sollte man sich nicht verlassen. Bei den Umfragen handelt es sich immer nur um Momentaufnahmen. Bis zum Wahltag in zehn Wochen stehen noch einige Ereignisse wie TV-Debatten und Wahlkampfveranstaltungen an, die die Stimmung der Wähler beeinflussen können. Eines steht fest: Aufgrund ihrer Unbeliebtheit müssen beide Kandidaten hart dafür kämpfen, dass die Wähler im November auch tatsächlich an die Wahlurne gehen – und sich dort für eine oder einen von ihnen entscheiden.

Iris Froeba ist Policy Analyst und Media Officer im Transatlantischen Dialogprogramm der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit mit Sitz in Washington, DC.