
Die Endphase des amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfes wird am „Labor Day“, dem amerikanischen „Tag der Arbeit“ eingeläutet. Die Sommerferien sind zu Ende, der Kongress tagt wieder und die Wähler zeigen zum ersten Mal wirkliches Interesse am Wahlkampf. In diesem Jahr begann die Endphase des Wahlkampfes mit einem medialen Knall: In der am Dienstag veröffentlichten bundesweiten Umfrage des Nachrichtensenders CNN lag Donald Trump mit zwei Prozentpunkten vor Hillary Clinton.[1]
Für alle informierten Beobachter war dies eine große Überraschung, da Clinton im August ihren Vorsprung in den Umfragen kontinuierlich ausbauen konnte.Teilweise wurde ihr ein Vorsprung von sieben Prozentpunkten zugesprochen. Dabei wurde Clintons Führung nicht etwa ihrem gut organisierten Wahlkampf, sondern den verbalen Ausfällen ihres Gegenkandidaten zugerechnet. Für sein Abrutschen in den Umfragen wurden hauptsächlich Trumps Angriffe gegen die muslimischen Eltern eines in Afghanistan gefallenen US-Soldaten verantwortlich gemacht. Seine verbalen Attacken gegen die Eltern des Soldaten Khan wurden nach deren Rede auf dem demokratischen Parteitag ausgelöst, in der sie Trumps Position gegenüber der Behandlung von Muslimen harsch kritisiert hatten. Auch Trumps Rede zur Einwanderungspolitik und die Kontroverse um seinen damaligen Wahlkampfchef Paul Manafort, der während seiner Arbeit als Lobbyist illegale Zahlungen aus der Ukraine erhalten haben soll, ließen die Zweifel am Charakter des Kandidaten immer stärker werden. Trotz des Rücktritts von Manafort und einer weiteren Umstrukturierung seiner Wahlkampfmannschaft in den letzten zwei Wochen hatte niemand mit einem solchen Umfrageergebnis nach dem „Labor Day“ gerechnet.
Interessanterweise publizierte die Washington Post[2] einen Tag später auf der Titelseite eine Analyse von Umfragen aus allen 50 Staaten und dem District of Columbia. Wie in unserem letzten Beitrag zum US-Wahlsystem erläutert, handelt es sich bei den Präsidentschaftswahlen nicht um eine nationale Wahl, sondern um 51 Einzelwahlen.[3] Die Analyse in der Washington Post zeigt deutlich, wie groß der Vorsprung von Clinton im Wahlmännerkollegium ist. Bei genauerer Betrachtung der Daten überraschen vor allem die Umfragewerte in Texas. In dem traditionell republikanischen Staat ist Trump der Sieg zum jetzigen Zeitpunkt keineswegs sicher. Setzt sich dieser Trend fort, hat Donald Trump kaum eine Chance die Wahl zu gewinnen. Denn rein rechnerisch ist es für Trump nicht möglich, die Mehrheit im Wahlmännerkollegium zu gewinnen, wenn er Texas nicht für sich verbuchen kann. Dass Trump in Texas ganz offensichtlich ernste Probleme hat, zeigt auch der Fakt, dass die Dallas Morning News[4], eine der wichtigsten Zeitungen in Texas, diese Woche das erste Mal seit 75 Jahren die Kandidatin der Demokratischen Partei öffentlich unterstützt.
Noch eine Fußnote zur oben zitierten CNN-Umfrage: Analysiert man die Befragung genauer, fällt auf, dass die Gewichtung der Wählergruppen verzerrt ist. Weiße Wähler ohne Hochschulabschluss machen 50 Prozent der Befragten aus. D.h. diese Wählergruppe, die mit großer Mehrheit Donald Trump unterstützt, war in der Studie überproportional vertreten. Bei den letzten Wahlen im Jahr 2012 lag der Anteil dieser Wählergruppe aber nur bei ca. 35 Prozent der gesamten Wählerschaft. Legt man die Gewichtung der letzten Wahl zugrunde, führt Clinton auch in dieser Umfrage mit ca. vier Prozent. Deshalb merkte ein Experte an: „Die Zahlen sind richtig, die Gewichtung ist falsch.“ Wahrscheinlich passt es dem Management von CNN nicht, dass Clinton einen großen Vorsprung hat und so der Eindruck entsteht, dass Trump die Wahl bereits verloren hat. Denn mit Trump und seinen verbalen Ausfällen haben die Medien im vergangenen Jahr viel Geld verdient. Mit jedem Trumpschen Aussetzer stiegen die Zuschauerzahlen und damit auch die Werbeeinnahmen.
Am 26. September hat Trump die Chance, die Meinungen der Wähler zu seinen Gunsten zu ändern. Dann findet die erste TV-Debatte zwischen ihm und seiner Kontrahentin Clinton statt. Trump muss zeigen, dass er nicht nur ein Marktschreier ist, sondern auch ein breites thematisches Wissen besitzt. Nur so kann er die letzten fünf bis sieben Prozent der Wählerschaft, die noch unentschlossen ist, davon überzeugen, dass er der bessere Präsident ist. Das Transatlantische Dialogprogramm der FNF wird aus Washington, DC darüber berichten.
Claus Gramckow, Repräsentant USA & Kanada, Transatlantisches Dialogprogramm, Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit