Dossier US-Wahlen: Die Nummer Zwei im Rennen um das Weiße Haus – Wer sind die Vizepräsidentschaftskandidaten?

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Quelle: Tim Kaine (li). und Mike Pence (re.)US Department of Education (li.); Gage Skidmore (re.) (CC-by-SA-2.0 jeweils bearbeitet)

Heute Abend treten die Vizepräsidentschaftskandidaten Tim Kaine und Mike Pence im TV-Duell gegeneinander an. Während Hillary Clinton und Donald Trump seit Monaten die Schlagzeilen dominieren, hört man von den Vizekandidaten verhältnismäßig wenig. Dabei bewerben sich Kaine und Pence für das zweithöchste Amt der Vereinigten Staaten: Die U.S.-Verfassung regelt, dass der Vizepräsident das Amt des Präsidenten bis zum Ende der Legislaturperiode übernimmt, sollte dieser versterben, zurücktreten oder des Amtes enthoben werden. Zeitgleich ist der Vizepräsident Vorsitzender des U.S.-Senats. Wer sind die Vizekandidaten, was treibt sie an und was können wir von ihnen erwarten?

Bei der Auswahl eines möglichen Stellvertreters achten die Präsidentschaftskandidaten vor allem darauf, dass dieser ihre Schwächen ausgleicht und eine Wählerbasis anspricht, die sie selber nur schwer erreichen können. Die Vizekandidaten werden auch als „Running Mate“ bezeichnet, da sie an der Seite der Präsidentschaftsanwärter für ihr Amt kandidieren. Die Kandidaten treten als Team an und können auch nur im Doppelpack gewählt werden. Deshalb spricht man auch davon, dass der Präsidentschaftsbewerber und sein Vize auf einem „Ticket“ kandidieren. In diesem Jahr treten Hillary Clinton und Tim Kaine für die Demokraten und Donald Trump und Mike Pence für die Republikaner an.

Tim Kaine – Erfahrener Politexperte

Der demokratische Senator Tim Kaine aus dem Bundesstaat Virginia gilt als erfahrener und gut vernetzter Politexperte. Vor seiner Zeit als Senator war er unter anderem Bürgermeister von Richmond (1998-2001), Gouverneur von Virginia (2006-2010) und Vorsitzender des Democratic National Committee(2009-2011). Während seines Jurastudiums an der Harvard Law School reiste er als katholischer Missionar nach Honduras, wo er Spanisch lernte. Der 58-Jährige gilt als Obama-Unterstützer der ersten Stunde und war 2008 sogar als Vizekandidat im Gespräch. Präsident Obama entschied sich damals aber für Joe Biden.

Kaine war Governeur von Virginia, als bei einem Amoklauf im Jahr 2007 auf dem Campus der Virginia Tech-Universität 32 Menschen ums Leben kamen. Seit der Tragödie setzt er sich vehement für strengere Waffengesetze ein. Als Bürgerrechtsanwalt sind ihm zudem die Rechte der Armen eine Herzensangelegenheit. Der praktizierende Katholik gilt als moderater Demokrat, der zwar aus religiösen Gründen gegen Abtreibungen ist, diese aber akzeptiert, solange sie gesetzmäßig sind.

Als Mitglied des Senate Armed Service Committee setzt sich Kaine für das Recht des Kongresses ein, bei Einsätzen der amerikanischen Streitkräfte im Ausland mitbestimmen zu können. Er unterstützt Luftangriffe und den Einsatz von Spezialeinheiten gegen den „Islamischen Staat“ (IS), lehnt aber einen Einsatz von regulären Bodentruppen im Irak und Syrien ab. Auch befürwortete er Wirtschaftssanktionen gegen Russland im Rahmen des Ukrainekonflikts, sowie die Pläne der NATO, rotierende Truppen in den baltischen Staaten einzusetzen.

In puncto nationale Sicherheit sprach sich Kaine für die Einschränkung desVisa-Waiver-Programms (VWP) aus, die als Reaktion auf die verschärfte Sicherheitssituation nach den Anschlägen in Paris durchgesetzt wurde. DasVWP ermöglichte es Personen aus 38 Ländern, ohne ein Visum in die USA einzureisen. Die neuen Bestimmungen sehen nun vor, dass sich Reisende, die sich in den vergangenen fünf Jahren im Iran, Irak, Sudan oder in Syrien aufgehalten haben, ein Visum über die amerikanische Botschaft im jeweiligen Land besorgen müssen.

Kaine setzt sich für eine Reform des Einwanderungsgesetzes ein. Im Jahr 2013 hielt er vor dem Senat eine Rede komplett auf Spanisch, um seine Unterstützung für den Border Security, Economic Opportunity, and Immigration Modernization Act auszudrücken, der es Einwanderern ohne Aufenthaltsgenehmigung ermöglichen sollte, die Staatsbürgerschaft zu beantragen. Auch das von Präsident Obama initiierte Deferred Action for Childhood Arrivals Program (DACA), das unbegleitete minderjährige Einwanderer vor der Abschiebungen schützen soll, erhielt Kaines Unterstützung.

Handelsabkommen wie das Nordamerikanische Freihandelsabkommen(NAFTA) und die Transpazifische Partnerschaft (TPP) sieht Kaine als Chance und nicht als Gefahr, solange hohe Auflagen dafür sorgen, dass Arbeitnehmer, die Umwelt und das geistige Eigentum geschützt werden. Er gehörte zu den 13 demokratischen Senatoren, die 2015 dafür stimmten, Präsident Obama eine Verhandlungsvollmacht – die so genannte „Trade Promotion Authority“ (TPA) – für internationale Handelsabkommen zu erteilen.

Tim Kaine ist eine sichere Wahl für Hillary Clinton. Auch wenn ihm vorgeworfen wird, ein Langweiler ohne Charisma und Profil zu sein, bringt er wertvolle Erfahrungen mit. Er soll vor allem die männliche Wählerschaft in ländlichen Gebieten, die weder von Trump noch von Clinton beeindruckt sind, zum Wählen motivieren. Mit seinen Spanischkenntnissen und Auslandserfahrungen kann er zudem bei den „Hispanics“ punkten.

Mike Pence – Gläubiger Hardliner

Auch Gouverneur Mike Pence aus dem Bundesstaat Indiana gilt als erfahren und gut vernetzt. Seine Liebe zur Politik entdeckte er als Moderator einer konservativen Radioshow in den 1990er Jahren. Danach zog es den studierten Juristen von 2001 bis 2013 ins U.S.-Repräsentantenhaus. Seit 2013 ist er Gouverneur von Indiana. Der 57-Jährige ist evangelikaler Christ, gilt als sozialkonservativ und Sympathisant der Tea-Party Bewegung. Sein Glaube spielt für ihn eine noch bedeutendere Rolle als die Politik. Aus Überzeugung lehnt er Abtreibungen konsequent ab und setzte in Indiana eines der striktesten Anti-Abtreibungsgesetze in Kraft. Auch wenn es um die Rechte von Homosexuellen geht, hat Pence konservativere Ansichten als Trump. Mit seinen politischen Überzeugungen kommt er vor allem bei den evangelikalen Wählern gut an.

Um gegen derzeitige und potenzielle Bedrohungen wie den IS, China, Iran und Russland gewappnet zu sein, will er die Militärausgaben erhöhen. Pence ist überzeugt, dass das Erstarken des IS direkt mit dem Rückzug des U.S.-Militärs aus dem Irak und dem damit entstandenen Machtvakuum verknüpft ist. Der Republikaner unterstützte in der Vergangenheit Maßnahmen, die der U.S.-Regierung weitreichende Handlungsspielräume im Kampf gegen den internationalen Terrorismus zusprechen. So setzte er sich im Jahr 2015 für die Verlängerung des USA Patriot Act ein, auf dessen Grundlage die National Security Agency (NSA) über Jahre hinweg massenhaft Telefon- und Internet-Metadaten nicht nur von U.S.-Bürgern systematisch speicherte.

Eine Reform der Einwanderungsgesetze lehnt Pence ab. Er steht hinter Trumps Plänen, eine Mauer an der Grenze zu Mexiko zu bauen und die mexikanische Regierung dafür zur Kasse zu bitten. Auch Trumps Vorstoß, die Einwanderung von Staatsbürgern aus Ländern, die in der Vergangenheit mit terroristischen Aktivitäten gegen die USA und ihre Alliierten assoziiert wurden, einzuschränken, unterstützt Pence. Als Trump jedoch vorschlug, allen Muslimen die Einreise in die USA zu verweigern, stellte sich Pence zunächst gegen den Präsidentschaftsbewerber und kritisierte seine Pläne als beleidigend und verfassungswidrig. Später milderte Pence seine Kritik jedoch ab.

Beim Thema Freihandel kommt Pence zwar mit seinem Gegenkandidaten Kaine auf einen Nenner, nicht aber mit seinem eigentlichen „Running Mate“ Trump. Der Immobilienmogul lehnt Handelsabkommen, gerade NAFTA undTPP, mit Nachdruck ab. Pence hingegen ist ein Freihandelsbefürworter. Als Abgeordneter stimmte er für bilaterale Handelsabkommen mit Chile, Kolumbien, dem Oman, Panama, Peru und Singapur sowie für die Ausweitung des Dominikanische Republik – Zentralamerika Freihandelsabkommens undNAFTA. Auch TPP und die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) befürwortet er.

Pence bringt politische Erfahrungen und Kontakte mit, die Trump als Außenseiter des Politikbetriebs fehlen. Mit seinem Kandidaten für die Vizepräsidentschaft erhofft sich Trump vor allem, den rechten Flügel der Republikaner, die ihn selbst für zu moderat halten, zu besänftigen und die Stimmen der konservativen Evangelikalen für sich zu gewinnen. Pences Bundesstaat Indiana gehört außerdem zum so genannten „Rustbelt“, dem größten Industriegebiet der USA, in dem viele Amerikaner in den vergangenen Jahren ihre Arbeitsplätze verloren haben. Genau diese Wähler will Trump mit Hilfe von Pence ansprechen.

Iris Froeba, Policy Analyst and Media Officer, Transatlantisches Dialogprogramm, Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit
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