Am vergangenen Sonntagabend standen sich die demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton und ihr republikanischer Kontrahent Donald Trump für einen erneuten Schlagabtausch gegenüber. Die zweite Debatte fand in Form eines „Townhall Meetings“, also einer Bürgerversammlung, statt. Die Zuschauer im Publikum konnten ihre Fragen direkt an Clinton und Trump stellen. Im Interview schildert Johannes Vogel, Generalsekretär der FDP Nordrhein-Westfalen, seine Eindrücke des zweiten TV-Duells.
Herr Vogel, Sie sind zurzeit zur Wahlbeobachtung in den USA und haben die zweite Fernsehdebatte der Präsidentschaftskandidaten Clinton und Trump mitverfolgt. Wie war die Stimmung während des TV-Duells? Welche Themen haben die Bürgerinnen und Bürger im Publikum in die Debatte eingebracht?

Die Diskussion zwischen Clinton und Trump hatte Ansätze einer Schlammschlacht und das hat meiner Meinung nach die gesamte Debatte geprägt. Die Fragen der Zuschauer gingen dabei fast ganz unter. Trump kam immer wieder auf seine drei, vier zentralen Sätze zurück – ganz unabhängig davon, welche Fragen ihm vom Publikum gestellt wurden. Zudem ging er Hillary Clinton extrem aggressiv an. Clinton hat mehrmals versucht, den Fokus auf die Themen zu rücken, die die Bürger aus dem Publikum angesprochen haben. Doch am Ende haben sich beide Kandidaten immer wieder in den Themen und Auseinandersetzungen verloren, die auch schon in den Tagen vor der Debatte den Wahlkampf dominiert haben.
Prägend war natürlich, dass die letzte Frage, die aus dem Publikum gestellt wurde, die angeheizte Stimmung auf der Bühne aufgriff. Ein Zuschauer empfand die Debatte offensichtlich als so dreckig und negativ, dass er die Kandidaten am Ende fragte, ob es denn irgendetwas gäbe, was sie am jeweils anderen respektieren würden. Clinton antwortete, sie respektiere Trumps Kinder und das sage viel über Donald Trump aus. Trump sagte, er schätze an seiner Kontrahentin, dass sie niemals aufgebe und eine Kämpfernatur sei. Diese letzte Frage hat der Debatte einen versöhnlichen Abschluss gegeben, konnte aber die blanke Aggression der vorangegangenen anderthalb Stunden natürlich nicht wettmachen.
Am Ende von Fernsehdebatten dreht sich für gewöhnlich alles um die eine Frage: Wer hat das Duell gewonnen? Was meinen Sie, Herr Vogel, welcher der Kandidaten war besser vorbereitet? Gab es Überraschungen?
Vergangene TV-Duelle waren oft von der Leitfrage geprägt, welcher der Kandidaten den besseren Präsidenten auf der Bühne gibt. Ich finde, am Sonntag war das eindeutig Hillary Clinton. Aber auch sie wurde immer wieder gezwungen, sich auf ein negatives Hin und Her mit ihrem Kontrahenten einzulassen. Zudem wirkte sie teilweise fast arrogant, abgehoben und zu selbstsicher. Im Vergleich mit ihrem Kontrahenten hatte sie dennoch das präsidialere Auftreten.

Doch der diesjährige Präsidentschaftswahlkampf zeichnet sich ja gerade dadurch aus, dass viele Maßstäbe und Regeln, die in der Vergangenheit galten, nicht zählen. Vieles, was die Tiefpunkte dieses Wahlkampfes ausmacht, fand sich auch in den Tiefpunkten dieser TV-Debatte wieder. Am deutlichsten zeigte sich das meines Erachtens in Trumps Aussage gegenüber Hillary Clinton, sie würde „im Gefängnis landen“, wäre er Präsident. In dieser Aussage zeigt sich zweierlei: Zunächst seine Stärke als Anti-Establishment-Kandidat, der immer wieder betont, dass „Politiker wie Clinton“ in Washington doch sowieso nur machten, was sie wollten und ihre eigenen Gesetze und Regeln schreiben. Mit dieser Haltung punktet er bei Wählern, die von der Politik Washingtons enttäuscht sind. Gleichzeitig war seine Aussage eine Kapitulationserklärung mit Blick auf den Rechtsstaat. Denn dass ein U.S.-Präsidentschaftskandidat allen Ernstes die Vorstellung hat, er könne oder wolle dafür sorgen, einen politischen Gegner ins Gefängnis zu bringen, hat mit Gewaltenteilung nichts mehr zu tun. Eine solche Denkweise passt eher zu Figuren wie Wladimir Putin oder Diktatoren, die sich unliebsame Konkurrenten vom Hals schaffen wollen. Insofern drückt diese Äußerung auf der einen Seite aus, was das Phänomen Trump ausmacht, und auf der anderen Seite, was das Phänomen Trump so gefährlich macht.
Die TV-Duelle treiben die Einschaltquoten in den USA in die Höhe. Am Sonntag saßen fast 64 Millionen Zuschauer gebannt vor dem Fernseher. Warum ist dieses Format für die amerikanischen Wähler so wichtig? Kommt den Fernsehdebatten in Deutschland die gleiche Bedeutung zu?
Ich denke, in jeder modernen Demokratie ist die Wirkung des Fernsehens kaum zu überschätzen. Das spüren wir übrigens auch als Freie Demokraten, wenn es für uns als außerparlamentarische Opposition um Zugang zu den großen Talkshows geht. Hier müssen wir erhebliche mediale Reichweitenverluste auf anderen Wegen mühsam kompensieren.
In den USA haben die TV-Debatten schon seit Jahrzehnten eine ganz besondere Bedeutung. Im Kennedy-Wahlkampf 1960 war die Ausstrahlung der ersten TV-Debatte richtungsentscheidend für die Wahl. Auch in Deutschland hat die Bedeutung mit den Kanzler-Duellen zugenommen. Doch ganz so bedeutend wie in den USA sind die Fernsehdebatten sicher nicht. Das liegt aber auch daran, dass wir jetzt schon wieder in einer anderen Zeit angelangt sind. Man kann sagen, dass der Obama-Wahlkampf 2008 der erste Wahlkampf war, der auch durch Möglichkeiten der neuen, sozialen Medien gewonnen wurde. Über diese konnten Wählerschichten mobilisiert werden, die vorher teils gar nicht zur Wahl gegangen sind. Wir sind also schon eine technische Generation weiter. Soziale Medien sind heute nicht mehr nur etwas, was man tun muss, um dabei zu sein – sondern ein Tool, mit dem man Wähler in wirklich relevanten Größenordnungen bewegen kann. Auch in Deutschland ist das mittlerweile klar zu beobachten. Besonders spannend ist in diesem Zusammenhang auch der Trend zum „second screen“: Über Ereignisse wie das TV-Duell wird in den sozialen Medien diskutiert und die Debatte weitergedreht und hierüber berichten dann wieder die klassischen Medien wie das Fernsehen. Es gilt also: Die sozialen Medien werden die nächsten Wahlkämpfe prägen und wir stellen uns bereits intensiv darauf ein.
Das Interview führte Iris Froeba, Policy Analyst and Media Officer, Transatlantisches Dialogprogramm, Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.