Ende gut, alles gut für CETA? Historischer Meilenstein für die EU-Kanada Beziehungen

16th_eu-canada_summit_2_cc_by-nc_2-0_flickr_by_european_external_action_service_0
16. EU-Kanada-Gipfel (Flickr by European External Action Service https://www.flickr.com/photos/eeas/30596287221)

Das Jahr 2016 markiert den 40. Jahrestag der offiziellen Zusammenarbeit zwischen der EU und Kanada. 1976 haben die damalige Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und Kanada ihr erstes Rahmenabkommen über die handelspolitische und wirtschaftliche Zusammenarbeit abgeschlossen. 40 Jahre später soll das umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen CETAdie Kooperation intensivieren. Europa und Kanada sind gleichgesinnte und wirtschaftlich eng miteinander verbundene Partner. Die EU ist für Kanada der zweitgrößte Handelspartner nach den USA, Kanada liegt auf Platz zwölf der wichtigsten Handelspartner der EU. Mit CETA, dem umfangreichsten und modernsten bilateralen Handelsabkommen, das je ausgehandelt wurde, können die Vertragspartner nicht nur ihr Wirtschaftswachstum steigern und Arbeitsplätze schaffen; Kanada und die EU setzen zudem neue Standards für den internationalen Handel.

Lange Durststrecke bis zur Unterzeichnung

Über fünf Jahre, von 2009 bis 2014, wurde über das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen verhandelt. Bis zur Unterzeichnung sollte es noch weitere zwei Jahre dauern. Doch der Weg dahin war holprig. In den Wochen vor der Unterzeichnung äußerten zahlreiche Mitgliedstaaten, europäische Regionen, Nichtregierungsorganisationen sowie die Öffentlichkeit Bedenken gegenüber dem Handelspakt und forderten Änderungen des Vertragstextes. Zuletzt versuchte die belgische Region Wallonie, das umstrittene Abkommen auf der Zielgeraden mit einem Veto auszubremsen.

Wenn nicht mit Kanada, mit wem dann?

captureKanada zeigte sich irritiert über den Widerstand innerhalb der EU. Der liberale Ministerpräsident Justin Trudeau stellte die EU als zuverlässigen Handelspartner infrage: „Wenn sich zeigt, dass Europa unfähig ist, ein fortschrittliches Handelsabkommen mit einem Land wie Kanada abzuschließen, mit wem glaubt Europa dann noch in den kommenden Jahren Geschäfte machen zu können?” Auch die kanadische Handelsministerin Chrystia Freeland reagierte emotional auf den Widerstand der Wallonie und brach die Verhandlungen sogar zeitweise ab. Doch es stand zu viel auf dem Spiel. Das Projekt ist schlicht zu bedeutsam und so kämpften Trudeau und Freeland trotz Frustrationen weiter für CETA – und dies letztlich mit Erfolg. Nach einer Reihe von Zugeständnissen gegenüber der Wallonie wurde das Abkommen im Rahmen des EU-Kanada-Gipfels Ende Oktober von Spitzenvertretern beider Seiten unterzeichnet. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zeigte sich zufrieden: „Ende gut, alles gut!“, kommentierte er, als der Vertrag endlich unterschrieben war. Die kanadische Handelsministerin stieß ein erleichtertes „Wir haben es geschafft!“ aus.

Nicht das Ende vom Lied

Mit den Unterschriften haben die Vertragsparteien den Abschluss der Verhandlungen besiegelt. Der Text steht und kann jetzt nicht mehr nachgebessert werden. Allerdings müssen das kanadische Parlament, das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente aller 28 EU-Staaten dem fertigen Vertragswerk zustimmen, bevor es in Kraft treten kann. „Jetzt fängt die Arbeit erst richtig an“, machte Justin Trudeau deutlich. Experten gehen davon aus, dass der Ratifizierungsprozess mindestens ein Jahr, wahrscheinlich aber eher mehrere Jahre dauern wird. In Kanada wird es wohl keine Probleme geben, CETA zu verabschieden. Sowohl die regierenden Liberalen als auch die konservative Opposition unterstützen den Handelspakt. In Europa könnte das schon anders aussehen, wenn man sich an das Hin und Her der europäischen Vertragspartner erinnert.

Deshalb ist es jetzt an der Zeit, die vergangenen Wochen und Monate kritisch zu hinterfragen. Und das nicht nur auf europäischer, sondern auch auf kanadischer Seite: der liberalen Regierung Kanadas wurde von Handelsexperten vorgeworfen, dass sie das Abkommen als bilaterales Abkommen zwischen Kanada und der EU verstanden hätte. Dabei handele es sich bei CETA vielmehr als eine Reihe von 28 bilateralen Verträgen mit den EU-Mitgliedstaaten, äußerte sich Christopher Rastrick von der unparteiischen Denkfabrik Canada West Foundation. Justin Trudeau gab nach der Unterzeichnung selber zu, dass er in den vergangenen Wochen eine Menge über die EU und ihre Arbeitsweise gelernt habe. Alle Akteure müssen nun aus ihren Fehlern lernen, um den Meilenstein CETA gemeinsam über die Ziellinie zu rollen.

 

Iris Froeba ist Policy Analyst und Media Officer im Transatlantisches Dialogprogramm der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Washington D.C.