Ernüchterung statt Euphorie – Der 115. US-Kongress konstituiert sich

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Quelle: CC0 Public Domain wikipedia.org

In der vergangenen Woche konstituierte sich das amerikanische Parlament zu seiner 115. Legislaturperiode. Seit der Präsidentschaftswahl im November stellen sich viele Beobachter die Frage, wie sich das Verhältnis zwischen der republikanischen Mehrheit im Kongress und dem neu gewählten Präsidenten entwickeln wird. Eine erste Kostprobe auf das zukünftige Zusammenspiel bot die Woche der konstituierenden Sitzung, die mit einem fulminanten Fehlstart aufseiten der republikanischen Mehrheit begann.

In einer Nacht-und-Nebel-Aktion versuchten die Republikaner im Repräsentantenhaus, das unabhängige Ethik-Büro des Kongresses abzuschaffen. Die republikanische Fraktion hatte am Abend vor der konstituierenden Sitzung mehrheitlich für die Abschaffung des Büros gestimmt. Doch das Abstimmungsergebnis rief nicht nur bei den Wählern, sondern auch bei Donald Trump einen großen Aufschrei hervor und musste von der republikanischen Parteiführung im Repräsentantenhaus revidiert werden.

Während der Wahlkampfphase hatten die republikanischen Kandidaten, allen voran Donald Trump, immer wieder gegen das Washingtoner Establishment und das aus ihrer Sicht korrupte System mit dem Hashtag #DTS für „Drain The Swamp” gewettert. Mit dem Versprechen, „den Sumpf trockenzulegen“, griffen die Republikaner die Anti-Establishment-Stimmung in den Vereinigten Staaten erfolgreich auf. Mit der Abschaffung des Ethik-Büros hätten sie jedoch genau das Gegenteil bewirkt und die einzige unabhängige Instanz im Kongress beseitigt.

Kontroverse überschattet eigentliche Vorhaben

Die Kontroverse um das Ethik-Büro überschattete die eigentlichen Pläne der Republikaner, bestimmte Gesetze radikal zu revidieren. Im Laufe der vergangenen sechs Jahre hatte sich die To-Do-Liste der Republikaner stetig verlängert: Erst jüngst eingeführte Regeln in der Bankenregulierung sollen abgeschwächt oder ganz beseitigt werden, amerikanische Unternehmen sollen Steuererleichterungen erhalten, Gelder für „Planned Parenthood“ – eine gemeinnützige Organisation, die u.a. Abtreibungen befürwortet – sollen gestrichen und Barack Obamas Gesundheitsversicherung „Obamacare“ gekippt werden. Diese republikanischen Politikansätze bilden den Kern der Tagesordnung des 115. Kongresses. Der legislative Plan wurde über Jahre hinweg ausgearbeitet, diskutiert, verfeinert und innerhalb der republikanischen Partei mehrheitsfähig gemacht. Mit dem Machtwechsel bestünde nun die Möglichkeit, diese politischen Vorhaben in Gesetzesentwürfe umzuwandeln, vom neuen Präsidenten unterschreiben und damit in Kraft treten zu lassen.

Doch schon die erste Woche der neuen Legislaturperiode zeigte, dass dies nicht so einfach sein wird, wie es sich die politische Führung der Republikaner vorgestellt hat. Gerade bei der Abschaffung von „Obamacare“ zeigt sich, auf welch politisches Minenfeld sich die Abgeordneten begeben. Sicherlich ist die Krankenversicherung nicht makellos. Doch an einige Vorteile der Gesundheitsreform haben sich die Bürger inzwischen gewöhnt. Das Gesetz einfach abzuschaffen, ohne dabei alternative Lösungen anzubieten, birgt erhebliche politische Risiken. Ein demokratischer Abgeordneter merkte richtigerweise an: „If you break it, you own it!“, was so viel heißt wie: „Wer das Gesetz zerstört, dem gehört auch der dadurch entstehende Schaden.“

Offene Fragen

Es stellt sich außerdem die Frage, wie der Kongress mit Trumps Wirtschaftsplänen umgehen wird. Während seines Wahlkampfes hatte Trump immer wieder betont, dass er mit einem Stimulierungspaket die Wirtschaft ankurbeln und die Infrastruktur in den USA verbessern will. Diese Pläne widersprechen jedoch der Orthodoxie der republikanischen Politik, die das keynesianische Wirtschaftsmodell grundsätzlich ablehnt. Auch in der Außenpolitik steht der neue Präsident mit seiner Verteidigung Russlands im Rahmen der Hacker-Angriffe und seinem Lob für Wikileaks-Gründer Julian Assange allein auf weiter Flur. Mit weiteren heftigen Auseinandersetzungen innerhalb der republikanischen Partei ist daher zu rechnen.

Am Tag nach der Präsidentschaftswahl waren die Republikaner regelrecht euphorisch über die Aussichten auf einen radikalen Politikwechsel. Doch schon in der ersten Woche der neuen Legislaturperiode ist eine gewisse Ernüchterung eingetreten. Bereits jetzt ist absehbar, dass sich die republikanische Parteiführung im Kongress wenig um den unberechenbaren, um öffentliche Aufmerksamkeit buhlenden Präsidenten Trump kümmern wird. Die einzigen, die sich nach wie vor die Hände reiben und sicher sind, dass die kommenden vier Jahre gewinnbringend sein werden, sind Wirtschaftslobbyisten. Ein langjähriger Freund äußerte sich wie folgt: „Die nächsten vier Jahre werden goldene Zeiten für uns sein.“ Die Lobbyisten haben keine Angst davor, dass Donald Trump seine Drohung, „den Sumpf trockenzulegen“, wahr machen wird. Im Gegenteil: Sie rechnen sogar mit mehr Wasser für den Sumpf.

Claus Gramckow, Repräsentant USA & Kanada, Transatlantisches Dialogprogramm, Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit