
Das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) wurde 1994 mit dem Ziel in Kraft gesetzt, Mexiko mit seinen hoch entwickelten Nachbarn zu vernetzen und den nordamerikanischen Wirtschaftsraum zu beleben. Das Freihandelsabkommen veränderte die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den nordamerikanischen Ländern grundlegend. Darüber hinaus läutete die Unterzeichnung des Vertrages eine neue Ära für regionale und bilaterale Freihandelsabkommen ein. Mit der Wahl Donald Trumps zum 45. US-Präsidenten steht NAFTA nun aber eine Phase großer Ungewissheit bevor. Wiederholt bezeichnete der neue Präsident das Abkommen als „den schlechtesten Deal aller Zeiten“. Dabei hat das Freihandelsabkommen den USA, Mexiko und Kanada vor allem unternehmerische Vorteile und ökonomisches Wachstum gebracht.
Nordamerikanische Nachbarn profitieren vom Freihandel
Um den Handel zwischen den Vertragsparteien zu liberalisieren, wurden mit NAFTA zahlreiche Zölle vor allem im Agrar-, Textil-, und Automobilsektor abgeschafft. Ökonomen sind sich weitgehend einig, dass der gemeinsame nordamerikanische Wirtschaftsraum erheblich von dem Freihandelsabkommen profitiert. Der regionale Handelsaustausch zwischen Kanada, den USA und Mexiko ist von 290 Mrd. US-Dollar im Jahr 1993 auf 1,1 Billionen US-Dollar im Jahr 2016 angestiegen.
Für Mexiko sind die USA ein unverzichtbarer Handelspartner. Die Vereinigten Staaten sind mit Abstand das größte Exportziel Mexikos. 73 Prozent der mexikanischen Exporte gehen in die USA. Auf Platz zwei liegt Kanada mit 6,1 Prozent. Zudem bezieht Mexiko mehr als die Hälfte seiner Importgüter aus den USA. Die mexikanische Wirtschaft ist stark von der Produktion von Zuliefererteilen abhängig. Mehr als 70 Prozent der exportierten Güter werden in der amerikanischen Automobil-, Elektro-, Medizintechnik und in der Luftfahrtbranche weiterverarbeitet. So importierten die Vereinigten Staaten im Jahr 2015 aus Mexiko Zwischenprodukte im Wert von 111 Mrd. US-Dollar. Der Handel zwischen den beiden Ländern ist lebendiger als je zuvor und jeder dritte Arbeitsplatz in Mexiko ist in irgendeiner Weise mit dem Freihandelsabkommen verbunden.
Auch für die USA gehört Mexiko zu den wichtigsten Handelspartnern. Mexiko ist nach Kanada die zweitgrößte Exportdestination für US-Produkte. Für Bundesstaaten im Süden der USA wie etwa Kalifornien, Texas oder Arizona ist Mexiko sogar der wichtigste Absatzmarkt. Zwischen 1994 und 2016 hat sich der Wert der US-Exporte nach Mexiko fast versechsfacht. Die Direktinvestitionen der USA in Mexiko sind von 15 Mrd. US-Dollar im Jahr 1993 auf 100 Mrd. US-Dollar im Jahr 2016 angestiegen. Laut Angaben der US-Handelskammer hängen etwa 14 Mio. US-amerikanische Arbeitsplätze vom Handel mit Kanada und Mexiko ab.
Die Produktionsketten der NAFTA-Region sind stark miteinander verknüpft, wodurch die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gesichert wird. Angesichts der komplex integrierten Lieferketten könnte man sogar von Produkten „made in the NAFTA region“ sprechen. Sowohl die US-Bundesstaaten Texas und Kalifornien als auch Guanajuato und Querétaro auf mexikanischer Seite sowie Britisch-Columbia in Kanada profitieren von den gut ausgebauten logistischen Netzwerken und den in den vergangenen Jahren eingerichteten Innovations- und Fabrikationscluster zur gemeinsamen Produktion. Die Konsumenten profitieren wiederum von niedrigeren Preisen sowie einer höheren Produktqualität. Der Versuch, den Freihandel in dieser Region zu blockieren, würde großen wirtschaftlichen Schaden in den nordamerikanischen Ländern anrichten.
Ein Ende von NAFTA würde Chaos und Verlust bedeuten

Der republikanische Präsident Donald Trump ist bekennender NAFTA-Gegner. Er macht das Abkommen für die Verlagerung von Arbeitsplätzen und Produktionsstandorten aus den USA nach Mexiko verantwortlich. Trump will die US-Wirtschaft abschotten und so neue Arbeitsplätze in den USA schaffen. Mit seiner „America First“-Rhetorik und seiner Offensive gegen den Freihandel sammelte er im Wahlkampf die Stimmen derjenigen Wähler, die Angst um ihren Arbeitsplatz haben und sich von der Globalisierung benachteiligt fühlen. Der Präsident hat angekündigt, dass er den Vertrag neu aushandeln will. Stimmen Mexiko und Kanada nicht mit seinen Konditionen überein, würde er nicht davor zurückschrecken, ganz aus dem Abkommen auszutreten.
Aus juristischer und administrativer Sicht wäre der Ausstieg mit relativ wenig Aufwand verbunden. Der Präsident bräuchte nicht einmal die Zustimmung des Kongresses und könnte innerhalb einer Frist von sechs Monaten aus dem Vertrag aussteigen. Zum jetzigen Zeitpunkt kann nur darüber spekuliert werden, wie sich ein Austritt der USA konkret auswirken würde, jedoch ist mit einem gravierenden wirtschaftlichen Schaden in der Region zu rechnen. Ökonomen warnen, dass ein Ausstieg der USA mit einer Kostenexplosion für Produzenten und Konsumenten verbunden wäre. Zurzeit produziert Mexiko u.a. Autozubehör für den US-Markt. Um höhere Zollausgaben und Strafzahlungen zu umgehen, müssten US-Automobilhersteller Teile ihrer Wertschöpfungskette sowie ausgelagerte Dienstleistungen wieder in die USA rückverlagern. Rein logistisch wäre ein Ausstieg also sehr kompliziert und eher nicht im Sinne vieler US-Unternehmen und deren Kunden. Professor Robert Lawrence von der Harvard University hält fest: „Wir haben ein breites Netzwerk an Wertschöpfungsketten aufgebaut, in das wir eingreifen würden. […] Das wäre Selbstmord für beide Seiten.“
Ein Ausstieg würde auch die Wettbewerbsfähigkeit der Vereinigten Staaten und seiner Nachbarn beschneiden. Jaime Serra Puche, der Mexiko in den NAFTA-Verhandlungen vertrat, warnt, dass ein Ende des Abkommens zu einem substanziellen Schaden für die US-Wirtschaft und die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Region führen würde. Mit Trumps protektionistischer Strategie würden sich die USA selbst schaden. „Herr Trump muss verstehen, dass das Einführen von protektionistischen Maßnahmen zu Handelshemmnissen und selbst verschuldeten Problemen in der Region führen wird, da alle drei Vertragspartner ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den Chinesen, Europäern und anderen Regionen verlieren würden.“, äußerte Puche gegenüber dem britischen Guardian.
Trumps protektionistische Politik wird folglich auf viele Hindernisse stoßen. Ein Austritt ist mit einem hohen Maß an Ungewissheit sowohl bei den Vertragsparteien als auch der globalen Wirtschaft verbunden. Diese Ungewissheit könnte im Chaos enden. Einige Handelsexperten und Beobachter befürchten daher den Ausbruch eines regelrechten Handelskrieges in Form von wirtschaftlichen Vergeltungsmaßnahmen der Länder, die von Trumps Abschottungspolitik betroffen sind.
Nachverhandlungen statt Ausstieg

Doch bevor Präsident Trump NAFTA komplett den Rücken kehrt, hat er angekündigt, den Vertrag neu verhandeln zu wollen, um bessere Konditionen für die USA zu erwirken. Handelsexperten sind sich allerdings nicht im Klaren, was der Präsident eigentlich genau will.
Und solange es keine konkreten Pläne gibt, lässt sich nur darüber mutmaßen, wie die Verhandlungen aussehen und ausgehen könnten. Der Prozess würde sich aber mit großer Wahrscheinlichkeit langwierig und kompliziert gestalten. Deshalb sieht der Mexikaner Jaime Serra Puche die Nachverhandlungen mindestens genauso kritisch wie den Ausstieg: „Wenn wir neu verhandeln, wird jedes Land etwas verlangen, nicht nur Amerika […] Herr Trump muss dieses Prinzip verstehen, wenn er plant, die Büchse der Pandora wieder zu öffnen.“
Trotz der Ungewissheit zeigt sich der kanadische Premierminister Trudeau bereit, den NAFTA-Vertrag neu zu verhandeln. Auch die mexikanische Regierung würde die Verhandlungen unter bestimmten Bedingungen neu aufrollen. Allerdings betonte der mexikanische Wirtschaftsminister Ildefonso Guajardo nachdrücklich, dass Mexiko nicht zu einer Neuverhandlung bereit sei, wenn Präsident Trump an seinen Mauerplänen festhalte. Und auch der mexikanische Außenminister Luis Videgaray zeigte sich bestimmt: Mexiko werde NAFTA nicht neu verhandeln, „sollten die USA die Souveränität und Würde Mexikos nicht respektieren.“ Für Mexiko steht fest: die Themen bilateraler Handel, Migration und Sicherheit müssen zusammen und nicht unabhängig voneinander diskutiert werden. Da Präsident Trump nach wie vor an seinen Plänen zum Bau einer Grenzmauer festhält, steht es momentan schlecht um die diplomatischen Beziehungen zwischen den USA und Mexiko.
Zukunft der amerikanisch-mexikanischen Beziehungen
Die vergangenen Jahre und die Auswertung verschiedener Daten und Statistiken zeigen deutlich, dass Mexiko und die USA stark voneinander abhängig sind. Das Agieren als Partner und nicht als Konkurrenten, hat zum wirtschaftlichen Wohl und internationaler Wettbewerbsfähigkeit beider Länder beigetragen. Es darf nicht vergessen werden, dass ein Austritt aus NAFTA nicht nur wirtschaftliche Folgen, sondern auch Konsequenzen auf politischer Ebene hätte. Seit Amtsantritt des neuen US-Präsidenten kühlen sich die diplomatischen Beziehungen zwischen den USA und Mexiko rasant ab. Während Donald Trump weiter in der Nostalgie des amerikanischen Protektionismus schwelgt, wappnet sich die mexikanische Regierung für die Zukunft und diskutiert über Maßnahmen zur Formierung neuer wirtschaftlicher und politischer Allianzen. Die Zukunft von NAFTA und der amerikanisch-mexikanischen Beziehungen ist zum jetzigen Zeitpunkt mehr als unsicher.
Fernando Valdés Benavides, Projektassistent, Stiftungsbüro Mexiko-Stadt
Lena Bareiss, Praktikantin, Stiftungsbüro Mexiko-Stadt
Iris Froeba, Policy Analyst und Media Officer, Stiftungsbüro Washington, DC