Interview: Dem Präsidenten den Riegel vorschieben – Zu den rechtlichen Hintergründen des umstrittenden Einreiseverbots des US-Präsidenten

dsc_0002
Quelle: FNF

Am 27. Januar erließ Präsident Donald Trump ein Dekret, das Bürgern aus sieben muslimisch geprägten Ländern vorübergehend die Einreise in die USA verweigern sollte. Trumps Vorstoß löste Proteste und juristische Klagen aus. Anfang Februar stoppte ein US-Bundesrichter in Seattle das Einreiseverbot vorläufig, woraufhin die US-Regierung Widerspruch einlegte und einen Eilantrag zur sofortigen Wiedereinsetzung des Einreiseverbotes einreichte. Doch nur ein paar Tage später erlitt Präsident Trump mit seinem umstrittenen Einreiseverbot eine erneute Niederlage vor Gericht: Ein Berufungsgericht in San Francisco lehnte den Widerspruch ab. Damit bleibt Präsident Trumps Dekret außer Kraft. Im Gespräch mit freiheit.org erläutert Christopher Dunn von der Bürgerrechtsorganisation New York Civil Liberties Union die rechtlichen Hintergründe und beschreibt seine persönliche Sicht auf die jüngsten Entwicklungen in den USA.

Herr Dunn, warum kann ein Bundesrichter ein präsidiales Dekret aushebeln, wo doch der Präsident das höchste Amt im Land innehat? Wie weit kann der US-Präsident mit den Executive Orders gehen?

In den USA unterliegen so gut wie alle Maßnahmen der Regierung der Überprüfung durch die Bundesgerichte, einschließlich der vom Präsidenten erlassenen Dekrete. In diesem speziellen Rechtsstreit argumentierte die Trump-Administration, dass das Dekret nicht überprüfbar sei, da es Vorschriften zur Einwanderung umfasse und die nationale Sicherheit des Landes gewährleisten soll. Die Gerichte haben dieses Argument jedoch zurückgewiesen. Dennoch müssen die Gerichte besondere Achtung vor präsidentiellen Dekreten zur Einwanderungspolitik haben. Deshalb gilt: Auch wenn die Präsidialmacht in diesem Bereich nicht unbegrenzt ist, kann ein Gericht Einwanderungsdekrete nur außer Kraft setzen, wenn diese eindeutig rechtswidrig sind. Und in diesem Fall haben die Gerichte festgestellt, dass das Einreiseverbot für Bürger aus muslimisch geprägten Ländern ganz klar rechtswidrig war.

Präsident Trump ist für seine Beleidigungen gegenüber Gegnern bekannt. In den letzten Wochen hat er sogar Bundesrichter kritisiert und angegriffen. Wie sieht Ihre persönliche Einschätzung aus: Was bewirkt Präsident Trump mit seinem Handeln und wie gefährlich sind seine Äußerungen?

img_4953
Source: FNF

Als langjähriger Anwalt glaube ich, dass, wenn ein Präsident die Rechtmäßigkeit der Gerichte angreift, dies eine ernsthafte Bedrohung für die amerikanische Verfassungsordnung darstellt. Seit über 200 Jahren erkennt die amerikanische Verfassung an, dass die Gerichte die letztendliche Verantwortung dafür haben, zu entscheiden, ob Regierungsmaßnahmen rechtmäßig sind oder nicht. Trump hat beispielsweise den Richter in Seattle, der gegen das Einreiseverbot urteilte, angegriffen, indem er ihn als “sogenannten” Richter bezeichnete, obwohl dieser als moderat eingestuft wird und von einem republikanischen Präsidenten, nämlich George W. Bush, ernannt wurde.

Bedauerlicherweise verhält sich Trump immer nach dem gleichen Muster: Wenn ihm jemand widerspricht, versucht er diese Person schlecht zu machen und zu delegitimieren. Ein solches Verhalten gegenüber Bundesrichtern unterminiert unseren Rechtsstaat grundlegend. Viele Beobachter glauben in der Tat, dass das ein Ziel der Trump-Administration sei.

Wie geht es jetzt mit dem ausgesetzten Einreiseverbot weiter? Was sind die nächsten rechtlichen Schritte?

Der Präsident hat verkündet, dass er in der kommenden Woche oder kurz darauf ein neues Dekret erlassen will, das die Einreise in die USA neu regeln soll. Sollte er an seinen Plänen festhalten, könnte das den laufenden Rechtsstreit über die ursprüngliche Executive Order beenden, da diese dann offiziell zurückgezogen würde. Das bedeutet aber nicht, dass es dann keinen Rechtsstreit mehr geben wird. Je nachdem wie die Details eines neuen Dekrets aussehen, würden wir und andere Akteure möglicherweise Klage einreichen, um die Executive Order oder Teile davon zu blockieren. Solange es aber noch kein neues Dekret gibt, kann man nicht vorhersehen, wie mögliche Gerichtsverfahren aussehen könnten.


Interview: Legal backgrounds and personal views on President Trumps travel ban

dsc_0002
Source: FNF

On January 27th President Trump has issued an executive order temporarily banning travel from seven Muslim-majority countries. His travel ban has set off huge protests and scads of legal challenges. Last Thursday the 9th Circuit Court of Appeals ruled unanimously against reinstating the travel ban, which had been blocked temporarily by a federal judge in Washington state before, dealing another legal setback to the new administration’s immigration policy. In an interview with freiheit.org, Christopher Dunn from the New York Civil Liberties Union explains the legal backgrounds and shares his personal view on these recent developments.

Mr. Dunn, why does a judge have the power to override an executive order of a U.S president given that the president is the highest office in the country? How far can the President go on executive actions?

In the U.S., virtually all government actions, including executive orders issued by the President, are subject to review by the federal courts. In this particular dispute, the Trump Administration argued that the executive order was unreviewable because it involved immigration and national security, but the courts have rejected that argument.

Nonetheless, courts are required to give considerable deference to presidential executive orders involving immigration. Thus, while presidential power in this area is not unlimited, a court can invalidate immigration executive orders only if they are plainly unlawful. And in this case, the courts have found that the Muslim travel ban order was clearly unlawful.

Over the past weeks President Trump has repeatedly criticized and insulted federal judges. What’s your personal assessment: Is President Trump undermining the judiciary and jeopardizing the American rule of law with his actions and comments?

img_4953
Source: FNF

As a long-time lawyer, I believe that presidential attacks on the legitimacy of the courts pose a serious threat to the American constitutional system, which has recognized for over 200 years that the courts have the final responsibility for determining whether government action is lawful. For instance, Trump attacked the Seattle judge who ruled against the travel ban by calling him a “so-called judge,” even though that judge is widely viewed as a moderate and was appointed by a Republican president (George W. Bush).

Unfortunately, Trump’s standard approach when someone disagrees with him is to attempt to belittle and delegitimize the person. When this approach is directed a judges, it fundamentally undermines the rule of law in our country. Indeed, many people believe that this is a goal of the Trump Administration.

What’s next in the legal battle over President Trump’s travel ban?

The President announced today [Thursday, February 16] that next week or shortly thereafter he will issue a new executive order governing travel to the United States. If he does so, that might end the current litigation over the original executive order since that order would be officially withdrawn.

That does not mean, however, that there would be no travel-ban litigation. Depending upon the details of any new order, we and others might sue to block that order or parts of it. But it not possible to know what future litigation may look like until a new order is issued.