US-Demokraten wählen Tom Perez zum neuen Parteivorsitzenden

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Quelle: FNF

Drei Monate nach der Präsidentschaftswahl sitzt der Schock bei den Demokraten noch immer tief. Um aus ihrer Schockstarre wieder herauszukommen, brauchen sie eine durchdachte Strategie, frische Visionen und eine neue Führung, die die Partei durch die Trump-Administration steuert. Die Wahl eines neuen Vorsitzenden ist der erste Schritt zur Rückeroberung der Macht. Doch die Ausgangssituation der Demokratischen Partei ist alles andere als leicht. Die Demokraten sind nicht nur auf nationaler, sondern auch auf lokaler Ebene stark geschwächt.

In Atlanta haben die 447 Mitglieder des höchsten Parteiorgans der Demokraten, Democratic National Committee (DNC), am vergangenen Wochenende ihren neuen Vorsitzenden gewählt. Tom Perez konnte sich gegen seinen stärksten Kontrahenten Keith Ellison durchsetzen. Zuvor hatte Donna Brazile den Posten seit Mitte 2016 kommissarisch inne gehabt. Braziles Vorgängerin Debbie Wasserman Schultz trat von ihrem Amt zurück als WikiLeaks enthüllte, dass das DNC unter ihrer Führung Bernie Sanders im Vorwahlkampf gegenüber Hillary Clinton benachteiligt hätte. Tom Perez war von 2013 bis zum Ende der Amtszeit von Barack Obama Arbeitsminister und galt als progressivstes Kabinettsmitglied der Obama-Administration. Davor war der 55-Jährige als Bürgerrechtsanwalt beim Justizministerium tätig.

Perez genießt einen guten Ruf innerhalb der Partei, gilt als Repräsentant des demokratischen Establishments und unterstützte Hillary Clinton im Wahlkampf. Seine Aufgabe wird es sein, die angeschlagene Demokratische Partei neu auszurichten. „Mit harter Arbeit und verdammt viel Organisation werden wir diese Partei wieder auf Spur bringen“, lauteten Perez motivierende Worte in Atlanta. Als Vorsitzender ist Perez auch das Sprachrohr der Partei und zuständig für das Fundraising und die Rekrutierung von Kandidaten.

Perez muss die Partei einen

Als neuer Vorsitzender muss Perez mehrere Baustellen gleichzeitig angehen. Nicht nur die Wahlniederlage im November, auch der parteiinterne Vorwahlkampf haben Spuren bei den Demokraten hinterlassen und zu Spaltungen innerhalb der Partei geführt. Während die eine Seite einen klaren Anti-Trump-Kurs fährt und versucht, jegliche Vorhaben des neuen Präsidenten auszubremsen, plädieren moderate Demokraten für mehr Pragmatismus und Kooperation, um Kompromisse zu finden, mit denen auch Demokraten leben können. So sind auch die Spannungen zwischen Establishment, repräsentiert durch Hillary Clinton, und der Anti-Establishment-Bewegung, inspiriert von Bernie Sanders, noch lange nicht überwunden. In dem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem Establishment-Kandidaten Perez und seinem Kontrahenten Keith Ellison, der Bernie Sanders unterstützte und für die Anti-Establishment Bewegung steht, wurde dies deutlich.

Viele Unterstützer von Ellison aus dem linksliberalen Flügel der Partei haben die Wahl von Perez als herben Rückschlag empfunden. Auch die Medien haben über die DNC-Wahl oft als Kampf zwischen „Establishment“ und „Revolution“ berichtet. Unter den Mitgliedern des DNC war die Stimmung aber versöhnlicher. Und so ernannte Tom Perez seinen Kontrahenten Keith Ellison gleich nach dem Wahlausgang zu seinem Stellvertreter. Beide Demokraten haben Donald Trump den Kampf angesagt und sind sich einig, dass sie nur mit vereinten Kräften Erfolg haben werden. Deshalb muss Perez jetzt daran arbeiten, zwischen den Lagern wieder  Brücken zu bauen und die Partei zu versöhnen.

Stärkung der Demokraten im ganzen Land

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Quelle: wikimedia coomons public domain by United States Democratic Party

Die Demokratische Partei unter der Führung von Tom Perez muss eine Strategie entwickeln, um diejenigen Wähler zurückzugewinnen, die Barack Obama in den Jahren 2008 und 2012 unterstützt hatten, nicht aber Hillary Clinton im Jahr 2016. Mit Blick auf die nächste Präsidentschaftswahl im Jahr 2020, aber auch auf die Kongresswahlen in zwei Jahren, ist die Mobilisierung der Parteibasis sowie neuer Wähler enorm wichtig. Um das Blatt im Kongress zu wenden, muss die Partei überzeugende Kandidaten für die Wahlen zum Repräsentantenhaus hervorbringen und „Wackelkandidaten“ im Senat sichern.

Doch damit nicht genug. Nach der Wahlschlappe muss die Partei landesweit stabilisiert werden. Hierbei ist es entscheidend, dass 2018 nicht nur die Karten im Kongress wieder neu gemischt werden. Die Demokraten müssen auch Gouverneursposten und Sitze in den Landtagen zurückgewinnen. Während Obamas Amtszeit haben die Demokraten zwölf Senatssitze, 69 Sitze im Repräsentantenhaus, dreizehn Gouverneursposten und etwa 1.000 Landtagssitze verloren.

Für Tom Perez hat daher die „50-State-Strategy“ hohe Priorität. Diese Strategie zielt darauf ab, die Partei in allen Bundesstaaten, Städten und Bezirken zu stärken, anstatt sich nur auf die Regionen zu konzentrieren, in denen sich die Partei ohnehin gute Chancen ausrechnet. Zwar ist es wichtig, die Parteibasis zu motivieren und den umkämpften Swing States besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Doch auch die Staaten, die fest in republikanischer Hand sind, dürfen nicht vernachlässigt werden. Hierfür will Perez eine Infrastruktur aufbauen, die Demokraten in Städten, Vorstädten und ländlichen Gemeinden auf grass-roots Ebene organisiert. Eine enge Zusammenarbeit zwischen der in Washington ansässigen Parteizentrale und den Verbänden der Demokratischen Partei in den Bundesstaaten ist dafür unerlässlich. Kernaufgabe des DNC wird es sein, einen umfassenden Fundraising-Plan aufzustellen, um die Partei im ganzen Land zu unterstützen. Dabei will sich Perez wieder vermehrt auf kleinere Gruppen von Gebern und Online-Fundraising stützen.

Um die Euphorie der Demokraten im ganzen Land erneut zu entfachen und neue Wähler zu gewinnen, muss es dem DNC gelingen, von Washington aus eine Botschaft in den Rest des Landes zu senden, die auf Gehör bei Demokraten und potenziellen Wählern – egal ob moderat oder links – stößt. Die passende Botschaft für alle zu finden, wird keine leichte Aufgabe werden, denn die ideologische Ausrichtung der Demokraten ist von Bundesstaat zu Bundesstaat verschieden.

Gleichzeitig darf man von den Kandidaten, die für die Kongress-, Gouverneurs- und Landtagswahlen antreten, nicht erwarten, dass sie sich in der Mitte einpendeln, um wirklich alle Demokraten im Land anzusprechen. Auf Bundesstaaten- und Bezirksebene müssen die Kandidaten auf die Interessen und die Stimmung der Bürger reagieren, um erfolgreich abzuschneiden. Deshalb muss Perez eine Partei führen, die aus Washington mit einer Stimme spricht, sich auf Bundesstaatenebene aber flexibel an den Herausforderungen vor Ort orientiert.

Protestwelle abpassen

Seit der Wahl von Donald Trump gehen landesweit Demonstranten gegen seine politischen Vorhaben auf die Straße. Unter ihnen sind aber nicht nur registrierte Demokraten, die ihren Wahlfrust zum Ausdruck bringen und Trump stoppen wollen. Unter den Anti-Trump-Demonstranten sind auch viele Amerikaner und Einwanderer, für die Politik im Alltag bisher keine große Rolle gespielt hat und die sich keiner Partei zugehörig fühlen, die aber ihre eigenen Rechte in Gefahr sehen. Aufgabe der Demokratischen Partei wird es sein, die protestierenden Massen zu ihrer Wählerschaft zu machen.

Nach seiner Wahl betonte Tom Perez die Bedeutung der Demokratischen Partei für die Widerstandsbewegung: „Eines Tages wird man sich die Frage stellen: Wo warst Du im Jahr 2017, als wir den schlechtesten Präsidenten in der Geschichte der USA hatten? Wir werden dann sagen können, dass die Demokratische Partei den Widerstand anführte und sicherstellte, dass er nur für eine Amtsperiode im Amt war.“ Tom Perez ist sich bewusst, wie wichtig die progressiv gesinnten Proteste sind, um Flagge gegen die Politik des Präsidenten zu zeigen. Doch er weiß auch, dass es am Ende darauf ankommt, Wahlen zu gewinnen. Deshalb muss den Amerikanern, die auf die Straße gehen, auch der Weg ins Wahllokal gezeigt werden. Ob es der Demokratischen Partei unter der Führung von Tom Perez gelingen wird, den zahllosen neuen Aktivisten im Land eine gemeinsame Vision zu geben, die über den nächstgeplanten Protest hinausgeht, wird sich mit der Zeit zeigen.

Iris Froeba ist Policy Analyst und Media Officer beim Transatlantischen Dialogprogramm der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.