
In dieser Woche musste sich Trumps Wunschkandidat für den Obersten Gerichtshof im Senat behaupten. Das Bestätigungsverfahren für Neil Gorsuch hat sich über mehrere Tage gezogen. Zur endgültigen Abstimmung im Senat wird es aber erst Anfang April kommen. Obwohl Gorsuch weniger polarisiert als sein erzkonservativer Vorgänger Antonin Scalia, ist die Stimmung im Senat extrem angespannt. Seit Monaten liefern sich Demokraten und Republikaner einen erbitterten Politstreit.
Seit über einem Jahr ist ein Sitz im neunköpfigen Richtergremium des U.S. Supreme Court vakant. Der Tod des Obersten Richters Antonin Scalia löste im Februar letzten Jahres einen regelrechten Machtkampf zwischen Demokraten und Republikanern aus. Da dem amtierenden Präsidenten laut Verfassung das Vorschlagsrecht für einen Nachfolger zusteht, nominierte Obama wenige Wochen nach Scalias Tod den moderaten Bundesrichter Merrick Garland. Doch die Verfassung sieht auch vor, dass die Nominierung eines Obersten Richters vom Senat bestätigt werden muss. Und der stellte sich bei Obamas Vorschlag quer. Obwohl Garland als hoch qualifiziert gilt und durchaus von beiden Parteien geschätzt wird, verweigerte die republikanische Mehrheit im Kongress sein Bestätigungsverfahren schlichtweg. Hinter der Blockadepolitik der Republikaner stand die Hoffnung, dass mit der Präsidentschaftswahl ein Republikaner ins Weiße Haus einzieht und der Senat in republikanischer Hand bleibt, um dann einen konservativen Richter ins Amt zu berufen. Die republikanische Mehrheit im Senat argumentierte, dass nicht der scheidende Präsident kurz vor Ende seiner Amtszeit, sondern der neu gewählte Präsident über eine solch tragende Personalentscheidung bestimmen sollte. Mit dem Tod von Scalia gibt es einen konservativen Richter weniger im Supreme Court. Neil Gorsuch würde die Balance aus vier konservativen, vier liberalen und einem Richter, der in der Regel nicht entlang ideologischer Linien urteilt, wieder herstellen.
Politisch umkämpfter Posten
Die Richterposten sind politisch so umkämpft, weil viele politische Streitfragen und gesellschaftlich umstrittene Themen, die im polarisierten U.S. Kongress nicht entschieden werden können, vor dem Supreme Court landen. Die Urteile des Obersten Gerichtshofes werden häufig entlang politischer Überzeugungen der Richter gefällt und stellen somit die politischen Weichen über Jahre hinweg. Mal fallen die Urteile im Sinne der Republikaner aus – wie etwa 2010 beim Grundsatzurteil zum Recht auf Waffen – mal verstehen sich die Demokraten als Gewinner des Verfahrens – wie etwa bei der Grundsatzentscheidung über die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe vor zwei Jahren. Wegen der politischen Tragweite der Urteile haben nicht nur Demokraten und Republikaner Interesse daran, den vakanten Sitz ihren politischen Ideologien entsprechend zu besetzen, sondern auch konservative und liberale Lobbygruppen.
Neil Gorsuch – intellektueller Erbe von Antonin Scalia
Mit der Wahl von Neil Gorsuch löste Trump ein weiteres Wahlversprechen ein: einen konservativen Richter zu nominieren, der die Verfassung so ausgelegt, wie sie zum Zeitpunkt verstanden wurde, als sie geschrieben wurde. Der 49-Jährige überzeugt durch fachliche Expertise und eine Vorzeigekarriere: nach dem Studium an den Eliteuniversitäten Columbia, Harvard und Oxford arbeitete Gorsuch für Bundesrichter David B. Sentelle sowie für die Obersten Richter Byron White und Anthony Kennedy am Supreme Court. Es folgten zehn Jahre in einer renommierten Washingtoner Privatkanzlei. 2006 wurde Gorsuch von George W. Bush für den Posten als Richter für den Berufungsgerichtshof in Colorado nominiert und kurz darauf einhellig vom Senat bestätigt.
Zwar arbeitete Gorsuch viele Jahre Seite an Seite mit dem moderaten Anthony Kennedy, der auch als Swing Voter bekannt ist, da er mal liberal und mal konservativ abstimmt. Gorsuch selbst hat sich aber in den vergangenen Jahren einen Ruf als konservativer Richter aufgebaut. Genau wie sein Vorgänger Scalia ist er ein Anhänger des „Originalismus”, also einer strikten Auslegung der Verfassung. Demnach glaubt Gorsuch daran, dass Richter die Verfassung so interpretieren sollten, wie es die Verfassungsväter vor über 200 Jahren vorgesehen hatten. Obwohl er als konservativ gilt, ist es ihm weitaus wichtiger, die Verfassung beim Worte zu nehmen, als sich an ideologischen Linien festzukrallen.
Doch viele Demokraten sind besorgt, dass Gorsuch bei gesellschaftspolitischen Themen wie Abtreibung oder gleichgeschlechtliche Ehe einen konservativen Kurs einschlagen wird. In der Vergangenheit unterstützte er christlich-konservative Unternehmen, die ihre Dienstleistungen auf Hochzeiten gleichgeschlechtlicher Paare ablehnen. Als Verfechter der Religionsfreiheit unterstützte er außerdem Unternehmen, die sich aus religiösen Gründen weigerten, ihren Mitarbeitern Krankenversicherungen anzubieten, die für Verhütungsmittel aufkommen. Im Zuge dieses Streitfalls hat der Supreme Court 2014 religiöse Ausnahmen bei der Krankenversicherung Obamacare erlaubt. Zwei Jahre zuvor hatte der Oberste Gerichtshof Obamas Gesundheitsreform für verfassungskonform erklärt. Wie konservativ Gorsuch in seinem Amt als Oberster Richter aber tatsächlich urteilen wird, bleibt abzuwarten. Bisweilen ist sein Ton moderater als der seines erzkonservativen Vorgängers Scalia.
Demokraten auf Konfrontationskurs

Bei seiner Bestätigung zum Bundesberufungsrichter im Jahr 2006 wurde der konservative Gorsuch von vielen demokratischen Senatoren unterstützt. Diesmal aber weht ein anderer Wind: die Demokraten stehen Gorsuchs Nominierung aufgrund seiner früheren Richtersprüche kritisch gegenüber. Viel schwerer wiegt jedoch die Empörung über die Komplettblockade der Republikaner im Zuge der Besetzung des Richterpostens durch Obama. Nach dem Motto „Wie Du mir, so ich Dir“ wollen es die Demokraten dem konservativen Kandidaten jetzt so schwer wie möglich machen.
Über drei Tage musste sich Neil Gorsuch den Fragen der Mitglieder des Justizausschusses des Senats stellen. Dabei interessierten sich die demokratischen Abgeordneten brennend dafür, wie Gorsuch in konkreten Fällen urteilen würde, sei es beim Thema Abtreibung, beim Waffenrecht oder im Falle von Trumps umstrittenen Einreiseverbot. Auch seine Meinung zu vergangenen Urteilen des Obersten Gerichts war gefragt. Den „Was-wäre-wenn-Fragen“ wich Gorsuch weitgehend aus und erklärte, dass er die Präzedenzfälle, die der Supreme Court in Vergangenheit geschaffen habe, respektiere. So sei die Grundsatzentscheidung zur gleichgeschlechtlichen Ehe ein feststehendes Recht, das der Oberste Gerichtshof anerkannt habe. Seine unkonkreten Antworten und Ausweichmanöver sorgten bei den Demokraten aber für Skepsis.
Wiederholt bekräftigte Gorsuch, dass er dem Weißen Haus gegenüber keine Zusagen gemacht habe, wie er in bestimmten Fällen urteilen würde. Schließlich sei er Richter und kein Politiker in einer Richterrobe, so Gorsuch. Für ihn stehe die richterliche Unabhängigkeit an oberster Stelle. Die Aufgabe eines Richters sei es, den Wörtern im Gesetzestext zu folgen und Gesetze unparteiisch zu interpretieren: „Es gibt keine republikanischen Richter und demokratischen Richter – in diesem Land gibt es einfach nur Richter.“
In Bezug auf Trumps Einreiseverbot äußerte Gorsuch, dass präsidentielle Dekrete anfechtbar seien: „Niemand steht über dem Gesetz.“ Erst vor ein paar Wochen hatte Gorsuch Trumps Aussage, dass ein „sogenannter Richter” sein Einreiseverbot ausgesetzt habe, als entmutigend und demoralisierend kritisiert. Denselben Wortlaut wählte er auch während seiner Anhörung, als das Thema Trump auf den Tisch kam.
Können die Demokraten Gorsuch verhindern?
Neil Gorsuch braucht 51 Ja-Stimmen im Senat, um bestätigt zu werden. Zwar haben die Republikaner eine Mehrheit von 52 zu 48 Stimmen. Die Demokraten könnten aber versuchen, die Abstimmung durch Dauerreden zu verzögern. In diesem Fall spricht man von einem filibuster, für dessen Aufhebung die Zustimmung von 60 Senatoren nötig ist. Wenden die Demokraten diese Taktik an, bräuchte Gorsuch also alle republikanischen Stimmen plus acht demokratische Stimmen. Demokratische Senatoren aus konservativen Bundesstaaten, in denen Trump gewann, würden dabei jedoch mit Blick auf die Kongresswahlen im Jahr 2018 massiv unter Druck geraten. Mit einer Abstimmung gegen Gorsuch könnten sie womöglich Wähler für ihre Wiederwahl verprellen.
Im Falle eines filibuster könnten aber auch die Republikaner auf eine Verfahrenstaktik zurückgreifen. Mit der sogenannten nuclear option können sie die Rechte der Minderheitsfraktion stark beschneiden. So könnten die Republikaner mit einfacher Mehrheit im Senat die Geschäftsordnung ändern und die nötige Stimmzahl zur Aufhebung des filibuster auf eine einfache Mehrheit absenken. Aus diesem Grund ist es wohl sehr unwahrscheinlich, dass die Demokraten die Bestätigung von Neil Gorsuch komplett verhindern werden.
Iris Froeba ist Policy Analyst und Media Officer beim Transatlantischen Dialogprogramm der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.