
In den USA gibt es zahlreiche Reformen, die die Schulwahlfreiheit und -vielfalt fördern. Auch die neue Bildungsministerin Betsy DeVos ist eine erklärte „School Choice“-Verfechterin und setzt sich vor allem für den Ausbau von privaten Charter Schools und den Einsatz von Bildungsgutscheinen ein. Trotz Studien, die den Erfolg der Programme untermauern, gehört das Konzept der Schulwahlfreiheit aber nach wie vor zu den wohl umstrittensten Bildungsreformen.
Das bildungspolitische Konzept der School Choice zielt darauf ab, Eltern und Schülern mehr Flexibilität bei der Schulwahl zu geben. Außerdem soll Minoritätenschülern aus einkommensschwachen Familien, die in ärmeren Gegenden wohnen, geholfen werden. Ihnen soll ermöglicht werden, Schulen zu besuchen, die sich in der Regel nur gut situierte Familien leisten können. Auf welche School Choice-Programme die Familien zurückgreifen können und welche Schüler sich für die Programme qualifizieren, kommt auf ihren Wohnsitz an.
Von Bildungsgutschein bis Charter School
Im Zuge der School Choice-Reform haben 32 Bundesstaaten und der District of Columbia Gesetze erlassen, die es Eltern ermöglichen sollen, ihre Kinder an privaten Schulen anzumelden, auch wenn sie diese nicht aus eigener Tasche bezahlen können. Beim School Voucher-System erhalten die Eltern den Betrag, den der Staat für die Ausbildung ihres Kindes an einer öffentlichen Schule vorgesehen hat, in Form von Bildungsgutscheinen. Den Bildungsgutschein können die Eltern dann an der Schule einlösen, die sie für ihr Kind am geeignetsten halten. Der Education Savings Account funktioniert ähnlich. Hier bekommen die Eltern den Betrag auf einer Bankkarte gutgeschrieben. Mit dieser Karte können sie dann die Schulgebühren an einer Privatschule zahlen. Darüber hinaus können sie mit der Karte aber auch Schulmaterialien, Online-Kurse und Nachhilfestunden bezahlen oder das gutgeschriebene Geld für den Besuch einer Hochschule zurücklegen. Beim Tax Credit and Deduction-Programm bekommen Eltern Steuervergünstigungen für private Bildungsinvestitionen, während das Tax Credit Scholarships-Programm Privatpersonen und Unternehmen ermöglicht, einen Teil ihrer Steuern, die sie an den Bundesstaat zahlen, auf gemeinnützige Organisationen umzulegen. Diese Organisationen vergeben wiederum Schülerstipendien für Privatschulen. Die vorgestellten Programme dienen dem Zweck, Schülern den Besuch einer Privatschule zu ermöglichen. Es gibt aber auch Konzepte im Bereich der öffentlichen Bildung, die im Zuge der Schulwahl-Reform entwickelt wurden. Dazu gehören die Charter Schools und die Magnet Schools.
Charter Schools haben eine prominente Rolle im U.S.-Bildungssystem eingenommen und brechen mit der traditionellen Vorstellung von öffentlicher Bildung. Dabei handelt es sich um öffentliche Schulen, die durch Elterngruppen, Kommunen oder lokale Organisationen gegründet und betrieben werden. Zudem übernehmen immer mehr Privatleute, Konzerne und Universitäten öffentliche Schulen gerade in sozialen Brennpunkten und transformieren sie zu Charter Schools. „Charter“ steht hierbei für „Vertrag“, denn die Schulen werden per Vertrag von bestimmten staatlichen Richtlinien befreit und genießen dadurch mehr Flexibiltät. Laut Christopher Daniels vom New Teacher Project wird diese Schulform in den USA immer beliebter, da die Schüler im Vergleich bessere Leistungen erbringen und zugleich der Besuch kostenlos ist. Heute gibt es ca. 6.800 Charter Schools in 42 Bundesstaaten sowie im District of Columbia.
Magnet Schools sind öffentliche Schulen, die auf bestimmte Fächer, Berufszweige oder pädagogische Konzepte ausgerichtet sind und von den Schuldistrikten verwaltet werden. Ursprünglich wurden Magnet Schools in den 1970er Jahren in sozialen Brennpunkten gegründet. Schülern in diesen Gegenden sollte eine größere Auswahl an Bildungsmöglichkeiten geboten werden. Außerdem zielt das Konzept darauf ab, die ethnische Trennung an öffentlichen Schulen zu reduzieren. Denn das Besondere an Magnet Schools ist, dass sich das Einzugsgebiet nicht auf den Schuldistrikt beschränkt. So sollen durch das themenspezifische, alternative und personalisierte Angebot auch Kinder und Jugendliche aus wohlhabenderen Gegenden an Schulen in Problemvierteln gelockt werden, um für mehr Diversität in den Klassenzimmern zu sorgen.
Schulwahlfreiheit löst kontroverse Debatten aus

Die ökonomische Idee, dass Schulen zwar vom Staat finanziert, nicht aber von ihm verwaltet werden – wie im Falle der Charter Schools – sowie das Konzept, Schulwahlfreiheit durch Bildungsgutscheine zu ermöglichen, wurde erstmals vom liberalen Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger Milton Friedman formuliert. Schon 1955 setzte sich Friedman, der auch „Vater der freien Schulwahl“ genannt wird, für eine alternative Finanzierung des Bildungswesens durch die Einführung von Bildungsgutscheinen ein.1989 griff der damalige Präsident Ronald Reagan die Idee auf: „Die Wahlfreiheit in der Bildung ist das Modell der Zukunft und bedeutet die Rückkehr zu unseren grundlegenden amerikanischen Werten. […] Wie ihr ökonomischer Cousin, die freie Marktwirtschaft, und ihr politischer Cousin, die Demokratie, bietet sie Hoffnung und Chancen.“ Im selben Jahr erließ der Landtag in Illinois den ersten Gesetzesentwurf zur Einführung von Bildungsgutscheinen im finanzschwachen Schuldistrikt Milwaukee.
Unter den Befürwortern finden sich einerseits konservative und liberale Politiker und Wissenschaftler, die marktorientierte Bildungsreformen unterstützen. Andererseits finden sich hier auch die Familien, die direkt von der Schulwahlfreiheit profitieren, d.h. ethnische Minderheiten und einkommensschwache Familien, die sich mehr Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit für ihre Kinder versprechen. Auch in der Demokratischen Partei gibt es School Choice-Unterstützer. So hat sich der ehemalige Präsident Barack Obama beständig für den Ausbau von Charter Schools eingesetzt. Befürworter argumentieren, dass das Konzept belebende Konkurrenz zwischen den Schulen schaffe. So würden nur die Schulen überleben, die durch ein gutes Lehrangebot und -qualität überzeugen. Die Wirtschaftsprofessorin Caroline Minter Hoxby von der Stanford Universitäterklärt, dass der Wettbewerb die Produktivität der Schulen erhöhe, was wiederum die Leistung der Schüler steigere. Die Konkurrenz diene zudem als Anreiz, Schulen zum Einsatz innovativerer Lehrmethoden zu motivieren. Christopher Daniels vom New Teacher Project zeigt ferner, dass die Konkurrenz durch alternative Schulformen den traditionellen öffentlichen Schulen nicht schadet. Im Gegenteil: Mehrere Studien, die im ganzen Land durchgeführt wurden, kommen zu dem Schluss, dass School-Choice Programme die Leistungsfähigkeit von öffentlichen Schulen sogar steigern.
Abgelehnt wird das Konzept vor allem von Lehrergewerkschaften sowie linksliberalen Politikern und Wissenschaftlern, die die Privatisierung des Schulwesens anprangern. Sie sind besorgt, dass die School Choice-Programme – insbesondere die Bildungsgutscheine – den öffentlichen Schulen finanzielle Mittel entziehen und so ihre ohnehin schon knappen Ressourcen weiter erschöpfen. Andere Gegner beziehen sich auf die U.S.-amerikanische Verfassung, die im ersten Verfassungszusatz die strikte Trennung von Staat und Kirche regelt. Da Eltern die staatlichen Bildungsgutscheine nutzen könnten, um die Ausbildung ihrer Kinder an religiös orientierten Schulen zu finanzieren, verstoße das School Voucher-System gegen die Verfassung.
Zeitenwechsel in der Schulpolitik?
Aufsehen erregte der neue Präsident Donald Trump mit der Wahl seiner Bildungsministerin Betsy DeVos. Ihre Nominierung war in der Öffentlichkeit sowie auch im Senat sehr umstritten. DeVos steht in der Kritik, weil sie weder Erfahrung im öffentlichen Dienst noch als Pädagogin hat. Auch während ihrer Anhörung im Senat konnte sie viele Abgeordnete nicht davon überzeugen, dass sie eine Bildungsexpertin ist und die nötigen Kompetenzen für die Position mitbringt. Die neue Bildungsministerin ist jedoch eine erklärte School Choice-Verfechterin und setzt sich vor allem für den Ausbau von Charter Schools und den Einsatz von Bildungsgutscheinen ein. Deshalb ist zu erwarten, dass in der Bildungspolitik die Rolle der Bundesstaaten und Distrikte weiter steigt. Denn Betsy DeVos setzt sich dafür ein, den Einfluss von „Uncle Sam“ – also der Bundesregierung – auf die Schulen einzudämmen, was im Interesse der Schuldistrikte sein sollte. Denn nur mit mehr Freiheiten, Flexibilität und Entscheidungshoheit können Schuldistrikte das beste Rezept für ihre Schulen finden, um allen Schülern unabhängig von ihrer Herkunft die beste Bildung zu ermöglichen.
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Iris Froeba ist Policy Analyst und Media Officer beim Transatlantischen Dialogprogramm der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Washington.