Ohne Einwanderer kein Silicon Valley

Wie geht es weiter im Silicon Valley? Quelle: iStock/ gerenme

Das legendäre Silicon Valley im Bundesstaat Kalifornien ist nach wie vor der weltweit bedeutendste Standort der IT- und Hightech-Branche. Viele der im „Valley“ ansässigen Unternehmen wurden von Einwanderern gegründet. Unter ausländischen Entrepreneuren und Arbeitgebern, die auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen sind, sorgt die Einwanderungspolitik von U.S.-Präsident Donald Trump für Ungewissheit.

Die USA gelten als Paradebeispiel in Sachen Gründungskultur. In keinem anderen Land der Welt gibt es eine so hohe Anzahl an Start-ups. Jungunternehmer fungieren als treibende Kraft der Veränderung und des Fortschritts, indem sie neue Produkte und Dienstleistungen entwickeln, effizientere Produktionsverfahren einführen, neue Geschäftsmodelle erarbeiten und Arbeitsplätze schaffen. Der amerikanische Gründergeist hat über die letzten Jahre vor allem innovative Ideen im Hightech-Bereich hervorgebracht. Elon Musk, Steve Jobs und Mark Zuckerberg sind nicht nur Unternehmer und Innovatoren, sondern weltberühmte Persönlichkeiten, die unseren Zeitgeist geprägt haben.

Um ein Unternehmen erfolgreich zu starten und zu führen, bedarf es eines passenden Handwerkzeugs und eines förderlichen Umfelds. Die USA gelten als idealer Ort für Unternehmensgründungen. Ein großes Netzwerk an Risikokapitalfirmen und Business-Angels, die Möglichkeit des Crowdfundingund der Zugang zu Inlandskrediten wie u.a. Small Business Loans erleichtern Existenzgründern in den USA den Start. Zudem gibt es eine Vielzahl von Startup-Accelerators, Gründerzentren sowie Mentorenprogramme, die Existenzgründer in der schwierigen Anfangsphase unterstützen. Hinzu kommt die „Alles-ist-möglich“-Einstellung, die im Land der unbegrenzten Möglichkeiten allgegenwärtig ist. In den USA ist Scheitern kein Tabu, sondern Quelle des Lernens.

„In den USA führt das Zusammenspiel eines großen Kapitalpools, weltklasse Talenten, einer dynamischen Unterstützungsinfrastruktur und einer risikofreudigen Kultur zu einem selbstlaufenden Innovations- und Unternehmenszyklus.“

Nicolas Brusson (FRA), Mitbegründer von BlaBlaCar, weltweiter Marktführer für Fahrgemeinschaften auf langen Strecken.

Unternehmensgründungen sind der wichtigste Wachstumsmotor der U.S.-Wirtschaft. Deshalb verfolgte die U.S.-Regierung unter Barack Obama verschiedene legislative Initiativen, um Amerikaner wie Einwanderer zum Gründen zu motivieren. Auch für Präsident Trump steht die Ankurbelung der Wirtschaft ganz oben auf der Agenda. So will er mittelständischen Unternehmen und Entrepreneuren die Arbeit erleichtern, indem Regulierungen reduziert werden sollen. Zudem sollen über die nächsten zehn Jahre 25 Millionen neue Arbeitsplätze entstehen. Den Interessen von U.S.-Arbeitnehmern soll dabei – getreu dem Wahlkampfslogan „America First“ – Vorrang gegeben werden. Auch wenn sich die Start-up-Szene über Trumps Ansatz zur Deregulierung freuen dürfte, beobachtet sie vor allem seine Einwanderungspolitik mit großer Sorge. Denn sowohl Start-ups als auch etablierte Unternehmen sind auf ausländische Fachkräfte und Talente angewiesen.

Unternehmensgründungen sind der wichtigste Wachstumsmotor der

Quelle: iStock/ LeeTorrens

Einwanderer gründen doppelt so häufig ein eigenes Unternehmen wie gebürtige Amerikaner; laut Statistik sind Einwanderer weniger risikoscheu als der Rest der Bevölkerung. Viele von ihnen verlassen ihre Heimat, um in den USA finanziell besser dazustehen und sich selbst zu verwirklichen. Auch das Silicon Valley wäre ohne Einwanderer ein ziemlich trostloser Ort: ganze 44 der 68 Privatunternehmen im Silicon Valley, die mehr als eine Milliarde USD wert sind, wurden von Einwanderern gegründet. Dazu zählen Uber-Gründer Garret Camp aus Kanada, Palantir Technologies-Gründer Peter Thiel aus Deutschland, SpaceX-Gründer sowie Paypal– und Tesla-Mitgründer Elon Musk aus Südafrika, Stripe-Gründer Patrick Collison aus Irland und Tanium-Gründer David Hindawi aus dem Irak. Zudem sind 70 Prozent der Positionen im Management und in der Produktentwicklung von Einwanderern besetzt. Zusammen kommen die 44 von Einwanderern gegründeten Privatunternehmen auf einen Wert von 168 Mrd. USD und schaffen durchschnittlich 760 Arbeitsplätze pro Jahr.

Bei den börsenorientierten Unternehmen des Silicon Valley sieht es ganz ähnlich aus. So stammt Google-Gründer Sergey Brin aus Russland, Sanmina-Gründer Jure Sola aus Bosnien, eBay-Gründer Pierre Omidyar aus Frankreich und Yahoo-Gründer Jerry Yang aus Taiwan. Dabei können viele Einwanderer diesen Schritt gar nicht erst vollziehen, da sie kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in den USA genießen. U.S.-Wirtschaftsexperten plädieren daher für eine Reform des amerikanischen Einwanderungsgesetzes, um es Migrantenunternehmern zu ermöglichen, langfristig im Land zu bleiben. Die neue U.S.-Administration hat allerdings andere Pläne.

Kluft zwischen Washington und Silicon Valley wird größer

Seit der Amtseinführung Donald Trumps wächst die Spannung im Silicon Valley. Der Präsident hat klar gemacht, dass es unter seiner „America First“-Administration für Ausländer schwieriger wird, Visa zu erhalten. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit veranlasste Trump ein Einreiseverbot für Bürger aus diversen muslimischen Staaten. Nachdem mehrere Bundesrichter gegen verschiedene Versionen des Dekrets geklagt hatten, setzte das Oberste Gericht das Einreiseverbot im Juni teilweise in Kraft. Im Herbst soll eine grundsätzliche Entscheidung getroffen werden.

Zusätzlich unterzeichnete Präsident Trump im April einen Erlass, der die Ausstellung von Arbeitsvisa für hoch qualifizierte Ausländer erschweren soll. Konkret geht es um das „H-1B Visum“ mit dem überwiegend Wissenschaftler, IT-Fachkräfte und Softwareingenieure in die USA kommen. Gerade die Hightech-Branche im Silicon Valley profitiert von der Expertise der ausländischen Spezialisten. Trump hat das U.S. Department of Labor und das U.S. Department of Justice dazu aufgefordert, die gängige Vergabepraxis der Visa zu evaluieren. Es müsse strenger geprüft werden, wer ein Visum bekommt. Amerikanische Staatsbürger dürften dabei durch die Konkurrenz aus dem Ausland nicht benachteiligt werden. Derweil hat die amerikanische Handelskammer davor gewarnt, dass eine komplette Abschaffung des Programms keinesfalls im Interesse der U.S.-Wirtschaft sei.

Den letzten Dämpfer bekam das Silicon Valley in der vergangenen Woche: Das U.S. Department of Homeland Security hat angekündigt, die Einführung des „Start-up Visa“-Programms um fast ein Jahr zu verschieben. Diese Initiative hatte Barack Obama kurz vor dem Ende seiner zweiten Amtsperiode angeschoben. Das „Start-up Visa“ sollte ausländischen Entrepreneuren, die in den USA ein Unternehmen gründen wollen, eine befristete Aufenthaltsgenehmigung erteilen. Außerdem sollten ausländische Unternehmer die Möglichkeit bekommen, Kapital von bestimmten qualifizierten U.S.-Investoren in Anspruch zu nehmen. Nun bleibt das Programm vorerst bis März 2018 außer Kraft. Langfristig plant die Trump-Administration das Programm komplett auszusetzen.

Über die jüngsten Entwicklungen ist das Silicon Valley sehr besorgt, ja sogar entsetzt. In einem offiziellen Gespräch mit Donald Trump bekräftigte Apple-Chef Tim Cook die Bedenken der Branche und machte deutlich, dass man im „Valley“ sehr nervös sei. Auch der Geschäftsführer des Start-up-Accelerators Y Combinator, Michael Seibel, äußerte sich öffentlich: „In unserer heutigen Politik herrscht die Meinung, dass Immigration schlecht für die USA ist. Diese vorherrschende Meinung bringt das Ökosystem des Silicon Valley in Gefahr.“ Der Zustrom von qualifizierten Einwanderern, die Unternehmen gründen, Geld ausgeben und Häuser kaufen, habe dazu geführt, dass die kalifornische Wirtschaft aufgeblüht ist. Die USA befänden sich in einem Wettbewerb um internationale Talente: „Wenn wir es für smarte Leute schwieriger machen herzukommen und zu bleiben, dann werden wir diesen Kampf verlieren.“

Die Sorgen des Silicon Valley sind berechtigt. Sowohl in U.S.-Städten außerhalb Kaliforniens als auch in anderen Regionen der Welt hat das Start-up-Fieber bereits um sich gegriffen. Erfolgreiche europäische Unternehmen wie Skype (Dänemark, Schweden und Estland), Spotify (Schweden), Adyen(Niederlande), Just Eat (UK) und Criteo (Frankreich) zeigen, dass auch Europa einen wertvollen Nährboden für Start-ups bietet.

Eine ausführliche Analyse zum Thema Gründungskultur finden Sie hier.

Iris Froeba ist Policy Analyst und Media Officer beim Transatlantischen Dialogprogramm der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Washington.