Der progressive Kurs der Demokratischen Präsidentschaftskandidaten – Strategisches Kalkül oder fatale Ideologisierung?

Quelle: Flickr/Nick Solari [CC BY-SA 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0)%5D
Mehr als 15 Kandidaten der Demokratischen Partei haben bisher ihre Kandidatur für das Präsidentenamt der Vereinigten Staaten bekanntgegeben. Bereits im Frühstadium des Wahlkampfes übertrumpfen sich die Bewerber dabei mit Forderungen, welche ehemals als unvorstellbar galten. Auch im Kongress treibt eine neue Generation progressiver Demokraten die eigene Partei vor sich her, allen voran eine frisch gewählte Abgeordnete aus New York, Alexandria Ocasio-Cortez. Wenngleich die Präsidentschaftswahl im November 2020 noch weit entfernt liegt, Donald Trump und die Republikanische Partei nutzen den augenscheinlichen Trend des programmatischen und rhetorischen Linksrutsches, um ihren politischen Gegner als weltfremde Ideologen darzustellen.

Forderungen nach tiefgreifenden Sozialreformen mittlerweile Standard

Bei den zahlreiche Präsidentschaftskandidaten der Demokraten fällt auf, dass sie vom vornherein mit Maximalforderungen in den Wahlkampf ziehen. Vor einigen Jahren war Bernie Sanders mit seinen Ideen für eine Sozialpolitik im parteiinternen Wettstreit gegen Hillary Clinton relativ erfolgreich. Dies machte zahlreiche seiner Ideen salonfähig. Entsprechende Vorschläge sorgen nun beim besonders aktivistischen Teil der Parteibasis für Enthusiasmus. Insbesondere die Vorstellung einer landesweiten staatlichen Krankenversicherung, die etwa Barack Obama oder Hillary Clinton nie forderten, ist zum Lackmustest für das aktuelle Bewerberfeld geworden. Hinzu kommt eine Vielzahl an Vorschlägen einzelner Kandidaten, etwa eine staatliche Garantie für bezahlte Arbeit oder die Abschaffung von Studiengebühren. Die progressive Parteibasis übt also Druck auf potenzielle Kandidaten aus, während der Großteil der amerikanischen Wähler dem Geschehen bisher kaum Aufmerksamkeit schenkt. Der Druck der Progressiven beschränkt sich jedoch nicht nur auf das Feld der Präsidentschaftskandidaten.

Alexandria Ocasio-Cortez und der „Green New Deal“

Der Begriff “New Deal” bezeichnet eine Serie von, bis dato, unbekannt tiefgreifenden Reformen als Reaktion auf die die Große Depression und die drohende Verelendung weiter Bevölkerungsteile in den 1930er Jahren. Die frisch gewählte Cortez, nationaler Superstar junger progressiver Aktivisten, brachte Anfang Februar ihre Forderung einer ökologischen und sozial gerechten Neuordnung des gesamten Landes im Kongress ein, den „Green New Deal“. Würde der Vorschlag verabschiedet werden, wäre er nicht rechtlich bindend, sondern eher eine Willenserklärung. Trotzdem wird auch die Positionierung zu diesem Vorhaben zunehmend zu einem ideologischen Kompass für die demokratische Parteibasis, anhand dessen sie ihre Präsidentschaftskandidaten einordnen kann. Daher lohnt sich ein Blick auf die zentralen Forderungen: Die USA sollen in zehn Jahren zu einem CO2 – Nullemmisionsland werden. Dies soll durch eine komplette Überholung der Energieerzeugung, des Verkehrswesens, der Infrastruktur, der Landwirtschaft sowie aller Gebäude im Land erfolgen. Daneben enthält der Vorschlag jedoch auch Forderungen wie freien Zugang zu Bildung, eine Krankenversicherung für alle, oder etwa eine staatliche Jobgarantie.

Der Vorschlag erfährt zwar kaum Unterstützung bei den Demokraten im Kongress, stellt für die Republikaner dabei allerdings als willkommenes strategisches Geschenk dar. Der Mehrheitsführer der Republikaner im Senat, Mitch McConnell, gab bekannt, den Senat über den Vorschlag abstimmen zu lassen. Sein Hintergedanke dabei liegt auf der Hand: Die demokratischen Senatoren sollen sich zum Green New Deal positionieren, und entweder ihre Glaubwürdigkeit einbüßen, oder ihren progressiven Flügel als nicht mehrheits- und regierungsfähig abstrafen.

Trump und die Republikaner – Profiteure der progressiven Offensive?

In gewisser Weise hat es Trump geschafft, durch seine ständigen Brüche mit Normen und ehemals sicher geglaubten Regeln der Politik, das Land zu ermüden. Nach anfänglich starken Widerständen hat sich auch die Republikanische Partei überwiegend hinter ihm versammelt. Umso verwundbarer sind also die Demokraten bei den nächsten Präsidentschafts- und Kongresswahlen, wenn sie sich durch unhaltbare Versprechen unglaubwürdig machen, oder sich radikaler Rhetorik bedienen. Die Inhalte des Green New Deals etwa nutzten Republikaner prompt, um negative Werbespots in Wahlkreisen zu schalten, in denen besonders verwundbare Demokraten erst vor kurzem Mandate erringen konnten. Diese Wahlkreise befinden sich vor allem in der geographischen Mitte des Landes, jenseits der Küsten, in Staaten, die in letzter Konsequenz Trump 2016 zum Präsidenten kürten. Daher überrascht es kaum, dass praktisch kein Demokrat in dieser Region den Green New Deal im Kongress unterstützt.

Also Obama immer wieder fälschlicherweise vorgeworfen wurde, er sei Sozialist, konnte er dies glaubwürdig abstreiten. Er tat gut daran, denn nach wie vor kann sich laut Umfragen,  selbst unter Wählern der Demokraten, eine Mehrheit nicht vorstellen, einen selbsternannten Sozialisten zu wählen. Sanders und Ocasio-Cortez aber bezeichnen sich selbst voller Stolz als „demokratische Sozialisten“.  Trump hingegen verkündete nicht ohne taktisches Kalkül in seiner Rede vor dem Kongress: „Amerika wird niemals ein sozialistisches Land sein!“. Dasselbe Mantra wiederholte er bei einer Großveranstaltung in Florida, wo Republikaner gegenwärtig verstärkt vor den vermeintlich sozialistischen Demokraten warnen. Die Strategie: In dem in Wahlen stets eng umkämpften Staat könnten die Gemeinschaften von vor Diktatoren geflohenen Eiwanderern, etwa Kubanoamerikaner, das Zünglein an der Waage sein, sodass Florida frühzeitig ins republikanische Lager gebracht werden kann. Umso riskanter sind aus Sicht der Demokraten die apologetischen Kommentare von Bernie Sanders zu Fidel Castro, oder seine Weigerung den venezolanischen Machthaber Maduro als Diktator zu bezeichnen, geschweige denn den Oppositionsführer Guaidó als legitimen Präsidenten anzuerkennen.

Viel strategischer Raum in der gemäßigten Mitte

Bei all den gegenseitigen Überbietungsversuchen linksprogressiver Kandidaten, scheint im Rennen um die Nominierung noch Platz für gemäßigtere Kandidaten, sogenannte „Centrists“, zu sein. Nicht wenige Beobachter sehen in einer solchen Positionierung die einzig realistische Möglichkeit, Trump 2020 zu besiegen. Fraglich bleibt, ob ein solcher Kandidat bei den Demokraten ausreichend Enthusiasmus an der Parteibasis generieren kann. Diese Entwicklung lohnt es bis bzw. während  der Vorwahlen im Auge zu behalten. Sie alleine könnte über Sieg und Niederlage 2020 entscheiden.

Von Daniel Prause, Transatlantisches Dialogprogramm, Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit